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Volle Hosen im Frankenstadion

1. FC Nürnberg — Bayern München 0:1/ Torwart Aumann wurde zum Helden  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Uli Hoeneß, Manager des FC Bayern München, wird sich warm anziehen müssen. Vor dem traditionsgemäß emotionsgeladenen bayerischen Derby zwischen dem 1. FC Nürnberg und den Bayern hatte er schon lamentiert, daß die Dimension, die der Haß auf den FC Bayern inzwischen angenommen hat, „ihn frösteln“ lasse. Nach dem 1:0 Sieg der Bayern im mit 52.000 Zuschauern ausverkauften nagelneuen Nürnberger Frankenstadion wird nun wohl die Eiszeit ausbrechen.

Nicht nur, daß die Bayern den „Club“ wieder in starke Abstiegsnöte manövriert haben, nicht nur daß sie wieder eine realistische Chance haben, ihre Sammlung der Meistertitel zu erweitern, nein, die Art und Weise, wie die „Geldsäcke“ (Fan- O-Ton) das Spiel gewonnen haben, schürt Aggressionen und läßt hartgesottene Fans schon an einen Virus glauben. „Gib Bayern keine Chance“, lautete im Stadion die Beschwörungsformel gegen die bösen Geister von der Isar.

An diesem Samstag, an dem laut Club-Regisseur und Ex-Bayernspieler Hansi Dorfner „das Spiel des Jahrzehnts“ stattfinden sollte, schien das Immunsystem des 1. FCN gegen hartnäckige Bayern-Attacken gut gewappnet zu sein. In der ersten Viertelstunde spielten die Bayern zwar ihr Spiel, setzten sich zeitweise in der Nürnberger Hälfte fest und kombinierten gefällig. Zu gefällig, so daß die Ballverluste an die zweikampfstärkeren Nürnberger vorprogrammiert waren. Blitzschnell überwanden die Nürnberger das Mittelfeld und tauchten mit ihren Spitzen Eckstein und Wirsching gefährlich vor dem Tor von Raimund Aumann auf. Der hatte vor dem Spiel trotzig erklärt, er habe „genug davon, verlacht und verspottet zu werden“. Da wußte Aumann noch nicht, daß er schließlich der Held des Tages sein würde.

Schon zwölf Minuten nach dem Anpfiff, als die Bayern ihre Abseitsfalle zu spät aufgebaut hatten, standen plötzlich Wirsching und Eckstein völlig frei vor dem Bayern- Keeper. Das Schüßchen, das Wirsching, der angehende Orthopäde und „Intellektuelle“ beim Club, produzierte, zeigte jedoch, daß die Nürnberger die Hosen schon gestrichen voll hatten. Aumann konnte mühelos abklatschen, direkt vor die Füße von Eckstein zwar, doch der drosch das Leder weit über das Tor und raufte sich dann die blonden Haare.

Nach 27 Minuten brachten die Bayern erstmals das Tor der Nürnberger mit einem strammen Schuß von Olaf Thon in Bedrängnis. Acht Minuten später war das Spiel schon entschieden. Nach einem der wenigen schnell ausgeführten Bayern- Angriffe köpfte Strunz kraftvoll zum 0:1 ein. Dank der Abgebrühtheit des amtierenden Meisters blieb es denn auch wie im Vorspiel bei diesem knappen Ergebnis.

Schlüsselszene des 153. Derbys war die 54. Minute. Dorfner schickte Eckstein steil, Schwabl zog im Strafraum die Notbremse, sah aber nicht rot, sondern nur gelb. Den fälligen Elfmeter sollte Jörg Dittwar, der Schütze vom Dienst, im Bayern-Tor versenken. Minutenlang traktierten und bedrängten ihn die Bayern-Spieler. Jürgen Kohler war es sogar eine gelbe Karte wert, Dittwar zu verunsichern, indem er den bereits zurechtgelegten Ball noch einmal vom Elfmeterpunkt stieß. Seine professionelle Unsportlichkeit wurde belohnt: Dittwar schoß so unplaziert, daß sich Aumann nicht besonders anzustrengen brauchte, um den Strafstoß zu parieren.

Bayern-Trainer Jupp Heynckes strahlte nach dem Schlußpfiff bis über beide Ohren und das Duo vom Nürnberger Geflügelhof, Haan und Entenmann, schaute angesichts der drohenden Relegation betreten drein. „Ich habe meiner Mannschaft nichts vorzuwerfen“, betonte Arie Haan, „nur sie hat eins vergessen, schöne Chancen zu verwerten.“ Club-Präsident Oberhof: „Arie Haan ist der beste Fußballanalytiker, den ich kenne.“

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