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KSZE: Putzfieber am Reichstag

■ Die Vorbereitungen für die KSZE laufen auf Hochtouren/ Umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen: Metallschleusen und Schäferhunde/ 2.000 Journalisten erwartet/ Tempodrom macht zwei Tage zu

Berlin. Wer seinen Fuß gestern in das Seitenfoyer der Reichstags setzte, wurde sofort von mehreren Sicherheitsbeamten freundlich, aber entschieden wieder hinauskomplimentiert. Zwei Tage vor dem offiziellen Beginn der KSZE-Konferenz sind hier selbst akkreditierte Journalisten Personae non gratae. Auch die Metallschleuse im Foyer und die eifrig schnüffelnden Schäferhunde an der Leine von zivilen Beamten kündeten von umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen. Auf der Freitreppe, wo Außenminister Genscher morgen jeden einzelnen seiner 33 Kollegen persönlich mit Handschlag begrüßen will, war das Putzfieber ausgebrochen. Arbeiter wienerten Stufe um Stufe mit kräftigem Wasserstrahl, während Hilfskräfte vom Gartenbauamt die Blümchen in der eigens für die KSZE gepflanzten Rabatte zurechtzupften und die letzten Stäubchen vom Pflaster bürsteten.

In der Medien-Zeltstadt hinter dem Reichstag herrschte Ruhe vor dem Sturm. Von den 1.500 Journalistinnen und Journalisten, die sich bis gestern akkrediertiert hatten — erwartet werden 2.000 — waren nur wenige zu sehen. Das Zeltmodul birgt Platz für eine Cafeterria, eine Bank, ein Großraumbüro und sieben Räume für Pressekonferenzen, die auf Namen wie Müggelsee, Charlottenburg, Köpenick, Dahlem, und Weißensee getauft wurden. Darüber hinaus stehen den Kollegen vom Rundfunk 60 Direktübertragungscontainer zur Verfügung, die nach Angaben von Cheforganisator Martin Erdmann schon lange ausgebucht sind. Für schlechte Telefonverbindungen nach Osteuropa gibt es zehn Handvermittlungsstationen. Für die Journalisten der schreibenden Zunft, die noch nicht mit einem eigenen Laptop auf der Höhe der Zeit sind, stehen 100 elektrische Schreibmaschinen mit deutscher, französicher, englischer, italienischer oder spanischer Tastatur bereit. Über allem wachen 100 Studentinnen und Studenten, die ebenso wie die Reinigungsfirma und das Personal in der Gastronomie nach Angaben von Erdmann »selbstverständlich« einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen wurden.

Obwohl das Areal um den Reichstag erst in der vergangenen Nacht für Otto Normalverbraucher zur absoluten Sperrzone erklärt wurde, staute sich auf den umgrenzenden Straßen schon der Verkehr. Über die schlechte Informationspolitik der Polizei über die Straßensprerrungen beschwerte sich gestern der Sekretär des Tempodrom, Mabel, gegenüber der taz. Das Tempodrom, das genau in der heißen Zone zwischen Kongreßhalle und Reichstag seine Zelte aufgeschlagen hat, wurde laut Mabel erst am Freitag von den geplanten Maßnahmen informiert. »Zum Glück«, so Mabel, »hatten wir für Mittwoch und Donnerstag keine Abendveranstaltungen auf dem Programm«. Den Kinderzirkus am Vormittag werde man wohl ausfallen lassen müssen. Die KSZE ist für Mabel ein Vorgeschmack auf den »Horror, der kommt, wenn Berlin Regierungssitz werden sollte. Aber wenn man — wie ich — dafür ist«, so Mabel resignierend, »muß man wohl damit leben«. plu

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