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Palästinensische Partner-Uni schöpft Hoffnung

■ Seit drei Jahren ist der Campus abgesperrt / Universität Birzeit (Westbank) erwartet jetzt ihre Wieder-Eröffnung

„Education is forbidden“ — mit dieser lakonischen Anordnung schlossen Anfang 1988 kurz nach Beginn der Intifada die israelischen Militärbehörden alle fünf palästinensischen Universitäten in der Westbank und die islamische Universität im Gazastreifen.

Die namhafteste der fünf Universitäten ist die in Birzeit, 25 km nördlich von Jerusalem gelegen. Sie ist der Hochschule Bremen durch einen Kooperationsvertrag verbunden. Und sie unterhielt bis 1985 partnerschaftliche Beziehungen zur Bremer Universität.

In Birzeit hoffen Studierende und Lehrende verzweifelt auf die Wiedereröffnung. Die Hochschulen in Jerusalem und Bethlehem hatten bereits im vergangenen Jahr ihren Lehrbetrieb wieder aufnehmen dürfen. Den Lehrenden der Al-Najah Universität in Nablus kündigten die Behörden die Öffnung bereits an. In Bezug auf Birzeit „haben erste Gespräche stattgefunden“, so Penny Johnson, Mitarbeiterin des Büros für Öffentlichkeitsarbeit: „Eine definitive Zusage haben wir aber noch nicht.“

Der Universitäts-Campus ist seit Beginn 1988 geschlossen, der Zutritt untersagt. Mit Improvisation und Eigeninitiative umgingen die Universitäts-Angehörigen jedoch die Schließung. Zunächst wurden die Seminare in Privaträumen abgehalten. Dabei kam es unter anderem auch vor, daß während einer Privatstunde des Chemikers Dr. Mustafa Khais Soldaten auftauchten und alle anwesenden elf Studierenden, den Dozenten und zwei Techniker festnahmen. Für achtzehn Tage blieben sie in Haft. Nach und nach wurden Ersatzgebäude gefunden. Heute benutzt die Universität einige angemietete Gebäude in Ramallah, einer Stadt zehn Kilometer von Birzeit entfernt. Unter anderem wurde ein leerstehendes Hotel und ein Gebäude des YMCA mit Stühlen und Tischen notdürftig ausgestattet.

„Natürlich konnte unter diesen Umständen nicht mehr als ein Schmalspurstudium angeboten werden“, berichtet Penny Johnson. Katastrophal sei vor allem der Verlust der Bücherei mit ihrem 85.000 Büchern gewesen, dem „Herz“ der Universität, wie es Penny Johnson ausdrückt.

In kaum einem Fach konnte der Stand der wissenschaftlichen Forschung mitverfolgt werden, der internationale Austausch war beschränkt, Wie ein Chemiker lakonisch anmerkt, stoppt „nicht plötzlich die Welt der Wissenschaft, bloß weil israelische Behörden unsere Universität geschlossen haben.“ Als einziger „profitiert“ — zynisch ausgedrückt — der Fachbereich Sozialwissenschaften von der Situation. Penny Johnson: „Es gibt für dieses Fach viel zu untersuchen“. Neuestes Projekt ist eine sogenannte „business unit“: Als Reaktion auf die schlechter werdende finanzielle Situation in der Westbank, soll eine Art Beratungsstelle für wirtschaftliche Fortentwicklung gegründet werden.

Universität im Hotel und ohne Bücherei

Die Uni-Schließung hat Folgen für die Region. Birzeit ist eine kleine Stadt mit etwa 6.000 EinwohnerInnen. Von den über 2.500 Studierenden lebten ganze Versorgungszweige. Seit der Schließung ist der Einkommensverlust für die Region hoch: sämtliche Dienstleistungen — die Essensversorgung oder der Transport durch Busse und Taxis — mußten reduziert werden, von den StudentInnen angemietete Wohnungen stehen leer.

Immer wieder Bremer Workcamps in Birzeit

Die Universitäten in den besetzten Gebieten waren immer schon mehr als eine akademische Institution. Sie übernahmen gesellschaftliche Aufgaben, für die normalerweise ein Staat zuständig gewesen wäre. Das Zentrum für Umweltschutz, das die Birzeiter Universität unterhält, unterstützt Dörfer der Region durch Trinkwasser und Medikamentenkontrolle, BäuerInnen werden über Pflanzenschutzmittel aufgeklärt. Der Bremer Hochschullehrer Ullrich Boehm unterstützte gemeinsam mit dem Landesamt für Entwicklungszusammenarbeit ab 1981 fünf Jahre lang das Gesundheitszentrum. Bremer StudentInnen beteiligten sich während dieser Zeit an work-camps in Birzeit. Bremer Frauenforscherinnen fuhren in die Westbank. Ende der 80er Jahre unterzeichnete der Rektor der Bremer (Fach-)Hochschule einen Kooperationsvertrag mit der Partnerin Birzeit. Hintergrund: Die Hochschule ist für ihren Studiengang „Angewandte Weltwirtschaftssprachen“ angewiesen auf arabische PartnerInnen. Gleich als die ersten beiden Bremer Arabisch- StudentInnen zum Sprach-Studium in die Westbank reisten, waren sie jedoch mit dem verhärteten politischen Klima der Intifada-Zeit konfrontiert. Die Uni war bereits von den Militärbehörden geschlossen, der Unterricht fand in einem Hotel statt.

Birzeit hofft, nach der Wieder- Eröffnung die Partnerschaft zu Bremen intensivieren zu können. „Nachdem Herr Boehm seine Aktivitäten eingestellt hat, sind die Beziehungen mehr oder weniger eingeschlafen“, bedauert Christian Marzahn, Konrektor der Universität Bremen. Zukünftiges Engagement einzelner Lehrender und Fachbereiche würde das Rektorat begrüßen und unterstützen, führt er aus.

Die Chancen dazu sind gegeben. Zu Vorträgen über die Situation in den besetzten Gebieten sind die DozentInnen Birzeits bereit. Bremischen Studierenden wird die Möglichkeit geboten, an dem traditionellen internationalen Sommerprogramm teilzunehmen. Vom 13. Juli bis zum 22. August können sowohl arabische Sprachkurse belegt werden als auch Kurse im Bereich Sozialwissenschaft. Die Unterkunft wird von der Universität Birzeit organisiert. Uta Klein

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