: Heißer Herbst an Goethe-Instituten?
Arbeitskampfmaßnahmen in 73 Ländern nach Kündigung des Tarifvertrags zu erwarten ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
Werden bald Mitarbeiter des renommierten Goethe-Instituts weltweit streiken? Stein des Anstoßes ist der „Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Zweigstellen des Goethe-Instituts im Ausland beschäftigten deutschen nicht entsandten Angestellten“ — ein Sprachbonmot des Instituts, das sich laut Satzung der „Pflege der deutschen Sprache im Ausland“ verschrieben hat. Nach der einseitigen Kündigung dieses Tarifvertrags zum 1. April durch den Vorstand und das Präsidium des Goethe-Instituts schließt der Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) jetzt Arbeitskampfmaßnahmen an den insgesamt 155 Kulturinstituten in 73 Ländern im Herbst nicht mehr aus. Der nächste Verhandlungstermin ist der 15. Juli.
Das 1951 gegründete Goethe- Institut beschäftigt an 155 Kulturinstituten im Ausland und 16 Goethe- Instituten im Inland knapp über 3.000 festangestellte Mitarbeiter. Hauptsponsor des Kulturmultis ist das Auswärtige Amt mit etwa 225 Millionen DM jährlich. Die Institute werden von sogenannten entsandten deutschen Mitarbeitern (Leitungsfunktionen), nicht entsandten deutschen Angestellten (sogenannte „deutsche Ortskräfte“) und „nichtdeutschen Ortskräften“ betreut. Die etwa 700 deutschen Ortskräfte im Ausland sollen nach dem Willen des Goethe-Vorstands in Zukunft weit weniger im Geldbeutel haben als bisher. Bislang nach BAT bezahlt, sollen sie nach der überraschenden Kündigung des Tarifvertrags ab 1. April den nichtdeutschen Ortskräften gleichgestellt werden, das heißt die Bezahlung soll sich an der „Ortsüblichkeit“ orientieren — in vielen Ländern ein Niveau weit unter dem BAT. Der ideologisch versierte Goethe-Generalsekretär Horst Hanischfeger verkauft die Nivellierung des Lohnniveaus nach unten als Beseitigung der jahrelangen Ungerechtigkeit: Es solle „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, bezahlt werden, so der Generalsekretär. Eine gewerkschaftliche Forderung fürwahr, ist doch die ungleiche Bezahlung auch der GEW schon lange ein Dorn im Auge. Vehement wehrt sich die Lehrergewerkschaft jedoch gegen die Lohn-Angleichung nach unten. GEW-Chef Wunder bezeichnet die offizielle Goethe-Begründung als „zynisch“, zumal die ungleiche Entlohnung bereits Bestandteil der Rahmenvereinbarung zwischen dem Goethe-Institut und der Bundesregierung vom Juni 1976 ist. Wenn in Zukunft nur noch das Goethe-Institut mit der jeweiligen Botschaft die „ortsüblichen Tarife“ vereinbart, dann hätte die Gewerkschaft keine Chance mehr, regelnd einzugreifen. Auch für die nichtdeutschen Ortskräfte ist die Kündigung ein herber Schlag. Der BAT-Lohn ihrer Kollegen war schließlich oft einziges Argument, die allzu niedrigen ortsüblichen Tarife etwas aufzustocken. Anläßlich der Goethe-Mitgliederversammlung Ende Juni in München haben Beschäftigte der europäischen Goethe-Institute in einer Protestresolution gefordert, den alten Tarifvertrag „unverzüglich wieder in Kraft“ zu setzen und „in Verhandlungen über ein einheitliches Tarifgefüge für deutsche und nichtdeutsche Ortskräfte“ einzutreten. Die Leitung des Goethe-Instituts will jetzt bis zum 15. Juli ihr weiteres Vorgehen mit den Innen-, Finanz- und Außenministerien abstimmen.
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