: NATURNAHE DONAU
■ Zwischen Sigmaringen und Ulm darf sich der Strom bald wieder sein Bett selbst suchen
Zwischen Sigmaringen und Ulm darf sich der Strom bald wieder sein Bett selbst suchen
VON KONRAD RUMBAUR
Wer in Europa noch natürliche Flußlandschaften sehen will, muß lange suchen. Der Mensch hat sie mit der Zivilisation, mit intensiver Landwirtschaft und Industrialisierung weitgehend zerstört. Die Flüsse selber wurden schiffbar gemacht, begradigt, energiewirtschaftlich genutzt, die Talauen und -wiesen trockengelegt und urbar gemacht. Dabei sind Flußauen die produktivsten Ökosysteme mit den artenreichsten Lebensräumen und daher ökologisch besonders bedeutsam. Meist sind diese Ökosysteme unwiederbringlich verloren.
An einem Abschnitt der Donau will jetzt das baden-württembergische Umweltministerium einen ökologischen Umbau versuchen. Die Talaue zwischen Sigmaringen und Ulm soll wieder eine naturnahe Ausprägung erhalten. Als Pilotvorhaben dazu wird die Flußlandschaft zwischen Riedlingen und Zwiefaltendorf dienen. Das 603 Hektar große Gebiet ist eine vom Menschen geprägte Kulturlandschaft mit einer im deutschen Südwesten fast nicht mehr anzutreffenden Naturnähe. Im wesentlichen sind es Überschwemmungsflächen mit den angrenzenden Hängen.
Der Lauf der Donau dort wurde im Jahr 1820 zum ersten Mal korrigiert, andere Eingriffe folgten. Es wurden die Eisenbahn gebaut, die Zuflüsse begradigt und kanalisiert, die Landwirtschaft mit Entwässerungen und massiven Sicherungen intensiviert. Die Aue wurde als Grünland genutzt, mit starker Düngung und Chemieeinsatz und der Folge der Artenverarmung. Hinzu kommt die wachsende Freizeitnutzung der Talaue.
Kernidee des seit 1986 erarbeiteten Schutz- und Nutzungskonzeptes ist es, ein „verträgliches Miteinander von Mensch und Natur“ zu schaffen. Die Schutzverordnung ist so abgefaßt, „daß nach Möglichkeit nur die Übernutzung ausgeschlossen, nicht aber die überkommene Bewirtschaftung im Schutzgebiet beeinträchtigt wird“. Der Plan berücksichtigt neben dem Naturschutz auch Landwirtschaft und Erholung und wurde mit Bauern und Gemeinden innerhalb von nur zwei Jahren abgestimmt.
Vorgesehen ist, Überschwemmungsgebiete wieder oder neu herzustellen, Altwässer wieder zu aktivieren und zum Teil an die Donau anzuschließen, Still- und Staugewässer, Schilfgürtel und Flutmulden zu schaffen. Die Donau wird auf 150 bis 200 Meter verbreitert und erhält so ihren früheren Raum zurück. Sie kann sich damit in Grenzen wieder ihr Bett selbst suchen.
Das Konzept sieht an drei Stellen völlig geschützte Gebiete vor, an die sich Extensivierungszonen anschließen. Für 130 Hektar sind in Verträgen mit den betroffenen Bauern Ausgleichszahlungen für die damit verbundenen Ertragsausfälle vereinbart. Später sollen Pflegeverträge daraus werden. In den übrigen Randzonen ist die Landwirtschaft nur geringfügig eingeschränkt. Die Wege werden so geführt, daß die Donauaue als Erholungsgebiet erhalten bleibt.
Der überhandnehmende Bootsverkehr ist von 1. April bis 31. August an Wochenenden und Feiertagen verboten. Damit bleibt die Donau als europäischer Wasserwanderweg zumindest wochentags, wenn auch unter Auflagen, befahrbar. Der Radwanderweg, der von der Quelle bis Wien und weiter bis Budapest führt, ist von dem Naturschutzkonzept nicht betroffen.
Das Land hat sechs Millionen Mark für Grunderwerb bereitgestellt und bereits 170 Hektar gekauft. Die verstreuten Flächen sollen in einem Flurbereinigungsverfahren in die vollgeschützten Bereiche verlegt werden, so daß die einschneidenden Beschränkungen nur das Land treffen. Die Ausgleichszahlung an die Bauern für die Extensivierung wird mit mehreren hunderttausend Mark im Jahr veranschlagt. Der ökologische Umbau erfordert Investitionen von rund zehn Millionen Mark. Mit den Arbeiten soll spätestens 1993 begonnen werden.dpa
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