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Wer darf sowjetische Juden retten?

Berlin. Zu einem Eklat zwischen Michael Kleiner, Mitglied des israelischen Parlaments und Vorsitzender des Knesset-Ausschusses für Einwanderung und Integration, und Heinz Galinski, Vorsitzender des Zentralrats der jüdischen Gemeinden, kam es am Freitag auf der ersten Berlinkonferenz der Deutsch-Israelischen Gesellschaft bei dem Thema »Die Einwanderung sowjetischer Juden nach Israel und Deutschland«. Der Streit ging nicht um die 4.000 Juden, die im letzten Jahr nach Deutschland emigrierten, sondern um die prinzipielle Frage, wer das Recht habe, die vom Antisemitismus bedrohten Juden zu retten.

Kleiner vertrat die Position, die inzwischen auch von der US-Regierung akzeptiert wurde, daß es seit der Gründung des Staat Israel keine jüdischen Flüchtlinge mehr gebe. »Nur Israel ist die Heimat aller Juden.« An eine Emigration in die USA oder Deutschland sei nur die Arabische Liga interessiert, um Israel zu schwächen. Dies habe er auch der Delegation deutscher Politiker, darunter Rita Süssmuth, gesagt, die während des Golfkrieges Israel besuchten. Seine Haltung sei auf Verständnis getroffen, aber Frau Süssmuth habe ihm gesagt: »Reden Sie mit Herrn Galinski, der Druck auf uns ausübt. Uns fällt es schwer, dem entgegenzutreten.« Dann wandte sich Kleiner direkt an Galinski. Er verstehe zwar die deutsche Empfindlichkeit dabei, sowjetische Juden nach Israel abzuschieben, aber er müsse doch sehen, daß momentan Zehntausende von Juden in der Sowjetunion ihre Einreise nach Israel verschöben, weil sie die Hoffnung haben, Einreisevisa nach Deutschland zu bekommen. »Ich weiß, daß Sie ein echter Freund Israels sind, aber bitte setzen Sie sich nicht gegen den Willen der meisten Israelis, Juden und Deutschen, und ignorieren Sie nicht die Tatsache, daß die Feinde Israels es wollen, die Tore Deutschlands für Juden zu öffnen.« Kleiners Anwürfe erregten Galinski sehr. Nie habe er versucht, jemandem abzuraten, nach Israel zu gehen. Aber hätte die Jüdische Gemeinde die Hilfe verweigern sollen, die von den nach Berlin kommenden Touristen gewünscht wurde? »Als Mensch muß ich ihnen doch helfen, auch wenn sie keine Flüchtlinge sind.« Er vertrete zwar nicht die Position der deutschen Regierung, aber »verstehen Sie überhaupt«, schleuderte er Kleiner entgegen, »was das für ein Aufschrei in der Welt wäre, wenn Deutschland wieder Juden abschieben würde?« Die Konferenz bestätigte Kleiners Position. Es gehe darum, heißt es in einer abschließenden Erklärung, alle Eindrücke zu vermeiden, die den Eindruck erwecken, »es gebe für die ausreisenden Juden aus der Sowjetunion eine andere politische Lösung als die Wohnsitznahme in Israel«. Igal Avidan

Der Autor arbeitet bei der Tageszeitung 'chadashot‘.

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