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Oberflächliche Leichen verlassen ihre Gräber

Pfaffenhausen (taz) — Dem Bürgermeister von Pfaffenhausen im Unterallgäu, Ludwig Notz, ist der ganze Vorgang äußerst peinlich. Gern sagt er nichts zu den oberflächlich bestatteten Leichen auf dem Gemeindefriedhof. Aber der makabre Vorgang hat die Angehörigen der Verstorbenen schwer erschüttert.

Mehrfach gab es Hinweise aus der Bevölkerung an die Gemeinde, daß der Totengräber offenbar gelegentlich die Gräber nicht tief genug aushebt. „Ich hab's selber schon kontrolliert“, behauptet der Bürgermeister, „aber damals war das Grab tief genug.“ Vorgeschrieben sind laut Dr. Jürgen Seemann vom staatlichen Gesundheitsamt Mindelheim 1,80 Meter Grabtiefe. „Tatsächlich jedoch sind manche Särge nur 20 Zentimeter mit Erde bedeckt worden. Bei starkem Regen oder Wind hätte es durchaus passieren können, daß die Särge wieder zum Vorschein gekommen wären.“

Jetzt müssen die zwölf vom Gesundheitsamt beanstandeten Gräber geöffnet und die Särge tiefergelegt werden. „Wir haben deshalb den Friedhof für die Öffentlichkeit sperren lassen“, sagt der Gesundheitsamtleiter. Die Kosten wird laut Bürgermeister Notz die Gemeinde tragen. Zur Höhe wollte er keine Angaben machen. Ebensowenig wollte sich Notz zu den Gründen für die Schlamperei äußern. „Wir haben natürlich den Totengräber befragt. Es sind halt sehr menschliche Gründe.“

Wegen einer zunächst befürchteten Seuchengefahr war sogar überlegt worden, die Gräber mit Betonplatten zu versiegeln. „Aber eine Seuchengefahr besteht nicht“, weiß Dr. Seemann, „es handelt sich nur um Gräber aus den letzten beiden Jahren, und nachdem die Särge ja nicht geöffnet werden, besteht keine Gefahr.“ Seemann gibt offen zu, daß er sowas noch nie erlebt und auch noch nie davon gehört hat. Die Tieferbettung der Leichen soll in wenigen Tagen abgeschlossen sein. Um Blicke von Schaulustigen abzuhalten, wurden auf dem Pfaffenhausener Friedhof Sichtblenden installiert. kw.

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