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Offener Brief

■ an den Vorstandssprecher der Grünen, Ludger Volmer * betr.: Stellungnahme in der taz vom 11.10.91

an den Vorstandssprecher der Grünen, Ludger Volmer

betr.: Stellungnahme in der taz vom 11.10.91 („Stasi-Spitzel erfolglos“)

Werter Vorstandssprecher! Ich bin ehrlich gesagt, entsetzt! Was Du in Deiner taz-Stellungnahme als „paradox“ bezeichnest, ist nichts anderes als unerträglicher Opportunismus gegenüber Dirk Schneider, und es offenbart einen eklatanten Mangel an Bereitschaft zur (Selbst-)Überprüfung und (Selbst-)Kritik grüner deutschlandpolitischer Positionen, wie sie bis zu den revolutionären Ereignissen des Herbstes 1989 und deren Einmündung in die Selbstauflösung der DDR und ihren Beitritt zur Bundesrepublik maßgeblich in der Partei vertreten wurden.

Es mag ja sein, daß Du bei der Formulierung Deiner Stellungnahme das in der taz des Vortages erschienene Interview mit Dirk Schneider und die im „Tagesthema“ präsentierten Informationen (noch) nicht kanntest. Aber es gehört doch wohl zu den unverzichtbaren Pflichten eines Parteisprechers, sich gerade in einer solchen, für die politische Glaubwürdigkeit der Grünen derart zentralen Affaire so umfassend wie möglich zu informieren.

Ich glaube auch nicht, daß Du Dich aufgrund von Informationsmängeln zu der absurden Aussage versteigst, Dirk Schneider habe die DDR-Opposition unterstützt. Denn eigentlich müßtest auch Du aus den Auseinandersetzungen der ersten grünen Bundestagsfraktion, der Du ja auch angehörtest, selber wissen, daß er das Gegenteil bewirkt hat. Statt eines Persilscheins für Dirk Schneider wäre vielmehr eine Bitte um Entschuldigung angebracht gegenüber den direkt betroffenen Repräsentanten der ehemaligen DDR- Opposition und auch gegenüber den Grünen, an deren Diskreditierung und DDR-Einreiseverboten Dirk Schneider tatkräftig mitgewirkt hat.

Gar nicht ausdenken will ich mir, welche Auswirkungen Deine fatale Verharmlosung von Dirk Schneiders Spitzeltätigkeit und Stasizuarbeit auf das Verhältnis von uns (West-)Grünen zu unseren politischen WunschpartnerInnen, dem Bündnis90, hat. Und darin liegt die Pointe der politischen Verantwortungslosigkeit, die Du in dieser Sache an den Tag gelegt hast. Imma Hillerich,

Grüne aus Duisburg, Ex-MdB

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