Nils Fliegner, der mit dem schrägen Strich

hierhin bitte das

Foto von dem jungen

Mann mit Brille

Zum Mißerfolg kein Talent: Niels Fliegner Foto: Tristan Vankann

Es gab da vor drei Jahren den Versuch, teuren Chic und Intelligenz in einer Frauenzeitschrift zusammenzubringen: Der Versuch hieß „Viva“ und ging baden. In der „Viva“ konnte man hin und wieder Illustrationen des Bremer Cartoonisten und Zeichners Nils Fliegner finden. Bei aller ausgeklügelten Kolorierung nach Art farbiger Lutschbonbons haben die Zeichnungen etwas Eiliges, Skizzenhaftes behalten. Sie illustrierten z.B. Berichte über außergewöhnliche Kochexperimente: Die Schädel sind gern quadratisch, die Protagonisten haben monströse Züge, ständig fliegen Partikel durch die Luft. Eine Welt unter Hochspannung. Nils Fliegner ist einer dieser jungen Leute (Jg. 66), die schnell reden und schnell zu leben scheinen, die, wenn sie mit einem Projekt befaßt sind, schon das nächste im Auge haben. Zum Mißerfolg haben sie kein Talent: Sie sind immer schon woanders.

Fliegner, in Kaltum auf Sylt, einer „Künstlerkolonie“, als Künstlersohn geboren, hat als Kind „ewig Comics gezeichnet, aber mit 15 nicht aufgehört.“ Mit 18 sah er eine Karriere als Comic-Zeichner vor sich, dann ging er nach Bremen an die Hochschule für Künste: Grafik-Design. Dort lernte er immerhin soviel, daß er sich heute eine anständige Bewerbungsmappe drucken kann. Einen Abschluß machte er nicht („will nie einer sehen“); Zeichnen, sagt er, lernte er hier nicht.

Die Frage war nun: Illustration oder Comic? Fliegner hörte auf die Stimme des Marktes und fand eine Agentur, die seine Talente den Art-Direktoren von „DM“, einer Anlegerzeitschrift, von „Petra“ und „Viva“, von „Playboy“ und „Süddeutscher Zeitung Magazin“ verkaufte. Fliegners nervöser, chaotischer Stil wurde — modisches Muß — klarer, stilisierter. Der Strich wurde

“Bremer Einfallspinsel“ ist eine taz-Serie zur Bremer Zeichner- und Karikaturisten-Szene. Wer verdient hier mit gezeichneten Witzen und schrägen Einfällen sein Geld? Sind das alles Scherzkekse? Auf wessen Kosten wird gelacht? Wo kommt der Einfall her? Was zeichnet den „Strich“ aus? Bisher erschienen: Harm Bengen (15.10.) und Buzz Bütow (24.10)

glatter, entschiedener; Aquarellfarben kamen hinzu, Farben sind unerläßlich in Illustriertenwesen. Sie machten die Zeichnungen runder, aber auch „schräger“.

Jung, schräg, lustig: Sowas braucht man auch auf den anderen Seiten der Illustrierten, denen mit der Werbung. Heute weiß Fliegner immer schon, welches Eis wir morgen essen. So entwickelt er einen Affen, der die Werbeoffensive für ein neues „Schokoeis mit Urwald-Touch“ anführen soll. Für einen der Großen der Branche. Solche Arbeit ist zwar lukrativ, doch unbefriedigend. Selbstverwirklichung kann man vergessen. „Da sind ewig viele Leute dran beteiligt“, alle mit eigenen Vorstellungen und der Macht, sie durchzusetzen.

Nils Flieger wohnt in einer kleinen Straße im „Viertel“, gegenüber einer Beratungsstelle für Haut- und Geschlechtskranke, und findet sich in dem Job „abgekapselt“. Wann treffen sich schon Illustratoren? Zumal er in Bremen, bis auf seltene Kontakte mit der Stadtillustrierten „Prinz“, keine Kunden hat. Sein Draht zur Welt ist das Telefax. Seine Eingebungen holt er sich im urbanen Gewühl. Insbesondere im Kino.

„Zehn Jahre Zeichnen sind eigentlich genug“, meint Fliegner. Im Filmen sieht er Chancen, Sachen zu machen, die ihm wichtig sind: „Überraschend, visuell und orginell“ arbeiten; auf höchstem technischen Niveau. Und „lustig“. Er denkt an die cleveren englischen und französischen Commercials; kurz und schnell, und Geld ist da. Und: Eigener Stil ist gefragt. Eine alte 50er Arri (Arriflex für 16mm Film-Aufnahmen) hat er schon rumliegen und auch verwendet. Beim kleinen Festival „Bremen filmt“ war er in diesem Jahr mit zwei Streifchen vertreten: Einem Musik-Video, das er dem Musikkanal „MTV“ angeboten hat; und einem 16mm-Streifen über New York. Das Mekka dieser nervösen jungen Leute. Burkhard Straßmann