: Meinungsmache gegen Radfahrer
■ Die in diesem Jahr getöteten 20 Radfahrer hatten offenbar nicht absichtlich gegen Verkehrsregeln verstoßen/ ADFC wirft dem Verkehrssenator Fahrlässigkeit vor
Berlin. Die 20 Radfahrer, die in diesem Jahr verunglückten, hatten sich im Straßenverkehr offenbar nicht unvernünftig verhalten. Dies geht aus einer Antwort des Verkehrssenators auf einen Brief des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) hervor, der um Auskunft über Unfallort und Unfallursache gebeten hatte.
Drei der getöteten Radfahrer waren sechs, sieben und 11 Jahre alt, drei waren im Alter von 78, 85 und 87 Jahren. Diese Menschen seien noch nicht bzw. nicht mehr in der Lage, mit dem dichten und vor allem zu schnellen Verkehr umzugehen, sagt der ADFC. Diesen Menschen verkehrswidriges Verhalten vorwerfen zu wollen, grenze an Zynismus, dessen sich ein Senator nicht bedienen sollte.
Sieben Radfahrer wurden schuldlos zu Opfern von Auto-, Bus- und Lastwagenfahrern, die zu schnell und/ oder betrunken fuhren oder andere Verkehrsregeln außer acht ließen. Bei einem Radfahrer war die Unfallursache nicht bekannt.
Die restlichen sechs Radfahrer, die die Unfälle selbst verursachten oder mitverursachten, sollen weder bei Rot über die Ampel noch in falscher Richtung durch Einbahnstraßen gefahren sein. Der ADFC vermutet daher, daß sich die sechs nicht bewußt regelwidrig verhalten hätten, sondern Unaufmerksamkeit zu den tödlichen Folgen führte.
Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) hatte Ende September die zunehmende Zahl von Unfälllen als »besorgniserregend« bezeichnet. Er appellierte vor allem an die Verkehrsteilnehmer, sich vernünftig zu verhalten, da sich von den getöteten Radfahrern alleine elf verkehrswidrig verhalten hätten.
Uta Wobit, Vorsitzende des ADFC, nennt diesen Umgang mit Statistik »fahrlässig«. Möglicherweise sei die undifferenzierte Aussage des Senators aus Unwissenheit erfolgt, andernfalls befürchte sie, daß eine bestimmte Meinungsbildung in der Bevölkerung erwünscht sei. diak
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen