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Polizeichef Schertz von Stasi bespitzelt

■ Das Ministerium für Staatssicherheit hatte auf den Polizeipräsidenten seinen Cousin angesetzt/ Schertz behauptet, nur Belangloses erzählt zu haben

Berlin. Georg Schertz, Polizeipräsident, ist seit Beginn seines Amtsantrittes im Mai 1987 von der Stasi bespitzelt worden. Dies berichtet die Hamburger Illustrierte 'Stern‘ in ihrer morgigen Ausgabe. Schon zwei Jahre zuvor, so ein Vorabbericht, sei Schertz unter dem Namen »Insel« bei dem DDR-Geheimdienst geführt worden. Auf Berlins obersten Polizisten soll der Ostberliner Jurist Karl-Heinz Schmidt, Cousin von Schertz, angesetzt gewesen sein. Schmidt (Deckname »Beirat«) sei mehrere Male nach West-Berlin gefahren, um seinen Vetter auszuhorchen, behaupte Schmidts ehemaliger Führungsoffizier.

Während 1988 das Lenné-Dreieck besetzt war, soll der Spitzel-Cousin dem Polizei-Vetter unter anderem geraten haben, Schilder aufzustellen, auf denen vor verbuddelter Kriegsmunition gewarnt wird — »dann könnt ihr das Gebiet räumen, weil Lebensgefahr besteht«, berichtet der 'Stern‘. Als die Besetzer während einer späteren Räumung nach Ost-Berlin flüchteten, habe der Staatssicherheitsdienst hinter der Mauer Lastwagen bereitgestellt. 1987 sei die Stasi hilfreich zur Stelle gewesen, als der damalige US-Präsident Reagan Berlin besuchte. Vermutliche Demonstranten sollen an den DDR-Grenzübergangsstellen mehrere Stunden kontrolliert worden sein. Ein hochrangiger Abwehrmann der Hauptabteilung I (zuständig für Armee und Grenzsicherung) behaupte, daß »Insel« die beste Quelle gewesen sei, die die Abteilung »je gehabt hat«.

Der Polizeipräsident bezeichnete den 'Stern‘-Bericht dagegen als »absurd und empörend«. Er habe bei Unterhaltungen mit seinem Cousin immer »sorgfältig abgewägt«, was er erzählt. Dienstliches sei nie zur Sprache gekommen. Die Kontakte zu dem Ostberliner Verwandten seien dem Verfassungsschutz bekannt gewesen. Informationen, daß zum Reagan-Besuch »Chaoten aus Westdeutschland« zu erwarten waren, seien »Pipifax«. Wenn er die Hauptquelle der genannten Stasi-Abteilung gewesen sein soll, »unterschätzt man wohl die Herren von der anderen Seite«. Ein Ermittlungsverfahren gegen seinen Cousin vom letzten Jahr habe keinen Verdacht gegen ihn selbst aufkommen lassen, sagte Schertz weiter. Werner Mattes, einer der beiden 'Stern‘-Autoren der Stasi-Story, bekräftigte gegenüber der taz die Geschichte. Nach Angaben von Schmidts Führungsoffizier soll Schertz nach der Überprüfung durch den Verfassungsschutz zu seinem Cousin gesagt haben: »Du bist clean, mit Dir kann ich reden.« Als die Polizei erfahren habe, daß einer der höchsten Polizisten mit der Stasi zu tun habe, sei nur hausintern ermittelt worden, sagte Mattes. Der Führungsoffizier behaupte auch, daß Schertz' Cousin vom Staatsschutz zu der Aussage geraten wurde, nur Zeitungsausschnitte über seinen Vetter gesammelt zu haben. Dirk Wildt

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