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Die Libera und ihre Fanin

Undurchschaubare Probleme der asiatischen Art bei der ersten Weltmeisterschaft im Frauenfußball  ■ Aus Kanton Hagen Boßdorf

Verständigungsprobleme

Bis heute ist nicht geklärt, ob diese Weltmeisterschaften wirklich in Kanton stattfinden. Die Menschen, die hier leben, sind zwar die Kantonesen, aber ihre Stadt heißt nicht Kanton. Guangzhou steht auf jedem Straßenschild. Aber weil die jährliche Messe die südchinesische Handelsstadt eben als Kanton weltbekannt gemacht hat, heißt Guangzhou eigentlich immer noch Kanton.

Die Sprachfertigkeiten der allermeisten europäischen Journalisten in Chinesisch sind relativ bescheiden, um nicht zu sagen nicht vorhanden. Umgekehrt ist es anscheinend genauso. Ein deutscher Journalist gibt einem Vertreter der chinesischen Sportpresse in englischer Sprache ein Interview. Er erzählt von den anwesenden acht BRD-Reportern, von denen der ZDF-Redakteur Bela Rety der bekannteste wäre. Am nächsten Tag steht in der Kantoner Regionalzeitung, der deutsche Journalist habe sich selbst als prominentesten deutschen Reporter bezeichnet. Das sähe den Deutschen ähnlich, sie sind so hemmungslos selbstbewußt, daß sie sich selbst für die Größten halten — kommentiert ehrfürchtig das Blatt.

Der Mitarbeiter einer deutschen Nachrichtenagentur spricht jedoch tatsächlich die Sprache der Gastgeber, weil er in Peking lebte und mit einer Chinesin verheiratet ist. Nun verblüfft er die Vertreter der Volksrepublik immer wieder mit chinesischen Ansprachen. Eine Pekinger Sportzeitung folgerte messerscharf: „Die deutschen Reporter sind so gut, daß sie sich sogar in chinesisch verständigen können. Wer weiß, welche Sprachen die noch alles können.“ Alles eine Frage der Verständigung.

Vergleichsprobleme

Das höchste Lob für den Frauenfußball ist, wenn er fast so gut ist wie das Männerspiel. „Solange solche Vergleiche aufgeschrieben werden, haben wir keine Chance“, sagt Nationalspielerin Martina Voss. Kein Mensch würde feststellen, daß die Handballerinnen jetzt auch bald so kraftvoll werfen wie die Männer und die Schmetterbälle der Volleyballerinnen mit der gleichen Schärfe übers Netz zischen. Im Fußball ist es normal. Und die FIFA macht mit.

„Wir haben hier extra eine Expertengruppe eingesetzt“, plaudert Frau Hannelore Ratzeburg, die einzige Frau im Fußball-Weltverband. Diese Experten haben in penibler Analyse ermittelt, daß die Frauen 75 Prozent der Spielzeit wirklich spielen, während das bei den Männern nur zur Hälfte der 90 Minuten der Fall ist. Deshalb — so folgern die Experten — ist Frauenfußball dynamischer, und deshalb — verschlußfolgern sie weiter — ist Frauenfußball einfach besser.

„Die Frauen kommen der Inspiration des Spiels, dem Gedanken der Spielfreude einfach näher“, glaubt auch der ranghöchste Frauenfußballer der FIFA, Poul Hyldgaard aus Dänemark. Wer solche Argumente ins Rennen schickt, wird immer von den Kritikern zu hören bekommen, daß es beim Frauenkicken doch an satten 35-Meter-Schüssen mangelt, der Ball viel zu lange von der Mittellinie bis zum Strafraum braucht und überhaupt mehr Pep im Männerspiel ist. Obwohl man es doch eigentlich nicht miteinander vergleichen darf.

Verständnisprobleme

Daß eine Frau, die Fußball spielt, eine Fußballspielerin oder volkstümlich Fußballerin ist, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Auch die Verteidigerin, Angreiferin und Auswechselspielerin hat inzwischen Aufnahme ins Sportreportervokabular gefunden. Und trotzdem stolpern die Meister des geschliffenen Sport-Wortes immer wieder über die Formulierungsfallen des Frauenfußballs. Messerscharf folgerte ein chinesischer Dolmetscher, daß doch mehrere Frauen keine Mannschaft sondern eine Frauschaft bilden müßten. Zugleich amüsierte er sich, daß ihm dieses Wort genauso schwer über die asiatischen Lippen geht wie das von der Torwartin.

Und was ist erst mit der letzten Frau, der Libera und deren größten Anhängerin, der Fanin. Und wie umkurvt man die Klippe der Manndeckerin, die neben der Mannschaftskapitänin ihre Frau steht. Und wie vor allem erklärt man diese Wortakrobatik den Spielerinnen selbst, die immer noch nichts gelernt haben in der emanzipierten Zeit in Deutschland: Sie reden unbelehrbar weiter von den Mädchen in ihrer Mannschaft, ihrem Kapitän und ihrem Torwart. Was das alles mit der ersten Weltmeisterschaft im Frauenfußball zu tun hat? Das ist wohl schon das nächste Verständigungsproblem.

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