piwik no script img

Bundesbank gegen Zinsspekulation

■ Tietmeyer: Geldmengenwachstum erzwingt keine Anhebung/ DM-Run in Osteuropa

Hamburg (ap/taz) — Angesichts wachsender Spannungen an den Kapitalmärkten ist die Bundesbank Spekulationen entgegengetreten, wonach wegen der raschen Geldmengenexpansion demnächst die Leitzinsen erneut erhöht würden. „Die aktuelle, beschleunigt wachsende Geldmenge löst keinen Zinsautomatismus aus“, erklärte Bundesbankvizepräsident Hans Tietmeyer in einem Interview des Wirtschaftsmagazins 'Capital‘. Am Dienstag hatte auch Bundeswirtschaftsminister Möllemann geäußert, Zinserhöhungen seien nicht in Sicht. Vor allem in Tokio hatten entsprechende Spekulationen zum Wochenbeginn den Dollar gegenüber der deutschen Währung unter Druck gesetzt.

Das Geldmengenwachstum, so Tietmeyer, beruhe derzeit auf Sonderfaktoren, die nicht unbedingt preistreibend seien. Noch liege es innerhalb des Zielkorridors von drei bis fünf Prozent. Zwar steuere es derzeit auf die obere Marke zu, aber die Bundesbank ziehe ein Expansionstempo von drei Prozent vor. „Bevor man aber die Auswirkungen auf die Preise beurteilen kann, muß man die Ursachen erforschen“, erklärte der Vizepräsident. „Wir sind noch nicht an dem Punkt, wo wir eine klare Schlußfolgerung ziehen können.“

So expandiere der Bargeldumlauf, der einen maßgeblichen Anteil an der Geldmenge hat, derzeit „ungewöhnlich stark, was zum Teil damit zusammenhängen könnte, daß die D-Mark den Charakter einer Parallelwährung in osteuropäischen Ländern gewinnt“, sagte Tietmeyer. Weil ihre eigenen Währungen rapide an Kaufkraft verlieren und viele Güter praktisch nur noch für Devisen zu haben sind, legen viele Menschen in Jugoslawien, der Sowjetunion oder anderen Staaten Osteuropas einen möglichst großen Teil ihres Vermögens in Form von deutschem oder auch US-Bargeld an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen