Alles Westens

■ Das neue Selbstbewußtsein der Waller Kulturszene / Und ein neues Kunstbuch

“Die ganze Welt kann uns mal am Arsch lecken: Wir sind die größten!“ Ein Satz, der sich wie eine Klammer um ein Dezennium Waller Kunst und Kultur legt. Nach Meinung der Waller Szene haben Kunst und Kultur in Walle

Welttheater in Ernst Waldau sein klein Häuschen?

nämlich Namen, Adresse und Alter: gut 10 Jahre brodelt es zwischen Kairo und Blaumeier, Töpferstube und Galerie des Westens. Im Schlagschatten des stolz sich reckenden Fernsehturms.

Die Waller Kultur ist jetzt erstmalig umfangreich und edel dokumentiert: Unter dem Titel „Westens“ gibt die GaDeWe seit kurzem ein „Kunst-Buch“ heraus (Auflage 111), das Selbstdarstellungen vieler Projekte, Historisches, lyrische Exaltationen, Original-Druckgrafik und Waller Musik auf Scheiben vereint. Typisch für die liebenswerte Grobschlächtigkeit des Arbeiter- und Studentendorfes: die Heftung mit wuchtigen Messingschrauben und Flügelmuttern. Preis: 180 Mark. Freundschaftspreis: 160 Mark (für Vereinsmitglieder der GadeWe).

Was man nach Hause trägt, kann sich sehen lassen: 19 Grafiken von 17 Waller KünstlerInnen (u.a. Mechtild Böger, Erika Plamann, Hermann Böke, Tom Gefken), zwei Singles (Pillbox Boys, Mimmi's), Texte von Ulrich Reineking-Drügemöller, Rolf Weber usf. Und Dönekes: Zappo, Waltraut und Ochsenschwanzsuppe im Waller Krug, Kunst essen im Renaissance, Neues aus dem Waller Wurstpavillion...

Mit dem Kompositionsprojekt Waller Gesänge „haben wir weniger an eine Waller Nabelschau gedacht, sondern sehen Walle durchaus in Zusammenhang mit der großen weiten Welt.“ Der Komponistenarbeitskreis bringt die Fernsicht der notorischen Waller Underdogperspektive auf den Punkt: von Walle aus in die Welt. Oder mit der GadeWe, deren „Nord-Sued“-Ausstellungs- Projekt in diesem Jahr bis nach Passau griff: Walle-Passau-New York-Tokio...

„Noch nähren in Walle die Menschen ihre Kneipen / was fehlt, ist eine eigene Brauerei / ein Kino / ein lokales Radio / ein Wal

Auch im Buch: Pillox Boys Single

ler Welttheater in Ernst Waldau sein klein Häuschen,“ so kolportiert Kurt Schwitters' Niederschlag in Walle, der Kabarettist URDrü, in seiner „Kurzgeschichte“.

Ach ja, das Waldau, moribund bis ins Gestühl, auch es ist Waller Kultur. Und droht aus dem Waller Blütenkranz herauszubrechen. In seiner spindeldürren Selbstdarstellung benennt es selbst den point of no return: als Höhepunkt gilt die Gastspielreise nach New York — im Jahre 1959. Burkhard Straßmann