: Grünes Stadtforum: Von Yuppis für Yuppis
■ betr.: "Die lustvolle Abrechnung mit der Lurchfraktion", taz vom 4.2.92
betr.: „Die lustvolle Abrechnung mit der Lurchfraktion“,
taz vom 4.2.92
Endlich kann vom Leder gezogen und herausgekotzt werden, was viele grüne Großstadtkommunalos bisher mühsam heruntergewürgt haben: Mal „Ja“ sagen dürfen zum Betonburgen bauen. Mal „Ja“ sagen dürfen zur Stadtautobahn, endlich „Ja“ sagen dürfen zum Großflughafen. Das Grüne Stadtforum macht's möglich. Aber ökologisch bitte! Also Hochhaus nur mit Blumenkasten und Ausgleichsmaßnahme. Stadtautobahn nur mit Krötentunnel. Bürgerinitiativen? Bornierte nächtliche BürgersteighochklapperInnen!
Beim Stadtforum treffen Gleichgesinnte auf Freunde: Der Kölner Müllverbrennungsspezi Jörg Frank auf den Hochausspezi Lutz Sikorski. Und Sabine Csampai findet Großprojekte auf grüner Wiese Klasse, wenn sie nur richtig gemacht werden, also Flughafen im Erdinger Moos mit efeuberankten Gangways und Feuchtbiotop neben dem Tanklager. Auch der Hamburger GrüFo- Spezialist Peter Schwanewilms darf nicht fehlen, dessen Spezi Martin Schmidt noch unlängst schrieb: „...Hamburg wird auch, als prosperierende Großstadt, ein vorzügliches Ziel für Einwanderer aus dem Osten werden. Juden, Zigeuner, deutsche Ossis und Russen aller Art werden uns auf den Straßen begegnen.“ „Unser Modell für Hamburg muß also nicht aus der Lüneburger Heide kommen, sondern eher aus New York.“ Nun, wir freuen uns auf die Hamburger Bronx, mit Froschteich und Umweltverträglichkeitsprüfung versteht sich, „Runder Tisch“ inbegriffen. Dies ist der Aufbruch der Grünen zu den Ufern, die keine Dämme mehr kennen und deren Wappenspruch lautet: „Was stört mich mein Geschwätz von gestern?“ Nicht repräsentativ, die Stadtforumsspezies? Die wurden alle von grünen Mitgliederversammlungen gewählt. Von einer Basis, die die Welt nur noch aus Parlamentssesseln betrachtet.
Deshalb irrt Florian Marten: Grüne Frösche gibt's in der Partei der Kommunalos nicht mehr, die von Yuppis wachgeküßt werden könnten. Die sind längst schaudernd über alle Teiche. Geblieben sind die Yuppi-Grünen, die für ihresgleichen Politik machen. Die „Citoyen 2000“, wie Udo Knapp zu wortschöpfen pflegt. Denen es stinkt, wenn der Verkehr vor der zum Schicki-Micki- Cafe aufgestiegenen Szene-Kneipe die Designer-Tassen allzu laut klirren läßt und das Gespräch über das neue KAT-Motorrad unterbricht. Wolfgang Kühr, Sprecher des Projektbereichs Radikalökologie der Ökologischen Linken/Alternative Liste, Essen
Der werte Florian Marten hat sich die Opfer für seinen Schmäh gut ausgesucht, um das über die Grünen abzulassen, was er schon in seinem Redebeitrag in Köln durchblicken ließ. Aus meiner Sicht ist es politisch nicht schlecht, daß er die teils und locker zur Schau getragenen Arschlecken- Mentalität gegenüber der Umweltbewegung aus diesem Treffen herausgepickt hat. Denn auch nach meiner Meinung war das allzu locker, ging über reale gesellschaftliche Probleme hinweg, die es vernünftig zu bearbeiten gilt, und haut den Grünen politisch ins Kontor: Da sind Klientele und WählerInnen nicht zu knapp angegriffen worden. Das sollte doch besser nicht passieren. Andere Auffassungen, zum Beispiel die des Florian Marten selbst, die die Versammlung in Köln ebenso zur Kenntnis genommen hat wie die zitierten, verschwieg unser Autor leider — aber sicher der beabsichtigten Polemik wegen. Sebastian Müller, Mitglied des Rates, Dortmund
Selbstverständlich ist es das gute und grundgesetzlich verbriefte Recht jedes Menschen, sich in der BRD mit anderen zusammenzutun und irgendwelchen Unfug zu verzapfen. Und es ist das gute und grundgesetzlich verbriefte Recht von Florian Marten, in der taz zu vermelden, daß er ganz bewußt an der politischen Realität vorbeizuschreiben in der Lage ist.
Das „Grüne Städteforum“ ist eine ganz gewöhnliche Realo-Veranstaltung, zu der 30 „handverlesene“ Leute kommen dürfen. Schade, daß es die Realos nicht auf mehr hochkompetente MitstreiterInnen bringen! Und noch bedauerlicher, daß diese Leute nach einer weder hochmodernen noch metropolitanen Methode ausgewählt wurden: durch Handlesen nämlich statt mit Verstandeskraft.
Ich verstehe nach über sieben Jahren aktiver Kommunalpolitik sehr gut den Frust über die Langwierigkeit von Veränderung. Aber was ich überhaupt nicht verstehe ist, daß die Herren und Damen Realos sich lustvoll in den wärmsten Platz unter der Sonne begeben wollen — den Mastdarm der SPD nämlich. Eine noch „spießigere Kleinbürgerlichkeit“ gibt es in dieser unserer Republik kaum.
Der Herr Frank ist Mitglied des Vorstands der NRW-Grünen Kommunalos. Dort hat er es in über einem Jahr nicht fertiggebracht, die „Metropolen“-VertreterInnen an einen Tisch zu bringen. Da fehlen Nestwärme und Selbstgefälligkeit der Strömung. Zur gleichen Zeit laufen Vorbereitungen für einen Bundeskongreß der Grünen- und Bündnis- 90-Kommunalos. Herrn Frank und Konsorten interessiert das aber nicht. Sie sind ja nicht Grüne, sondern Realos.
Lieber ein Lurch als ein Lump!
Übrigens, Herr Marten: Großstädte sind nicht „Lebensraum des allergrößten Teils der deutschen Bevölkerung“. Das bilden sich die Herren Schwanewilms und Sikorski in ihrem metropolitanen Wahn nur ein. Richard Kelber, Mitglied des Rates der Stadt Dortmund
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