Bonn und Tokio werten Dialog auf

Strategische Allianzen zwischen deutscher und japanischer Industrie finden bei Genscher Gehör  ■ Aus Tokio Georg Blume

Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und sein japanischer Amtskollege Michio Watanabe haben sich gestern in Tokio zu einer deutlichen Aufwertung der deutsch- japanischen Beziehungen entschlossen. Am ersten Tag des dreitätigen Genscher-Besuchs in Japan vereinbarten beide Länder, in Zukunft jährlich mindestens zweimal bilaterale Konsultationen zwischen den Außenministern abzuhalten. Genscher bezeichnete die Übereinkunft als „politisches Signal“, das der „Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit“ zwischen Japan und Deutschland nach Ende des kalten Krieges Rechnung trage. Der Bundesaußenminister reagierte damit unmittelbar auf weitverbreitete Kritik unter deutschen und japanischen Diplomaten, nach der die Bonner Außenpolitik Japan in der Vergangenheit wenig beachtet habe. Das sei daran abzulesen, daß die letzten bilateralen Konsultationen in Tokio schon sieben Jahre zurückliegen. Doch Genscher strebt in Japan mehr als flurbereinigende Maßnahmen an.

Aus gut unterrichteten Kreisen innerhalb der deutschen Delegation in Tokio verlautete am Dienstag, daß sich Genscher hier für einen Ausbau der „strategischen Allianzen“ zwischen der deutschen und japanischen Industrie stark machen wolle. Ein solches Anliegen würde den deutsch- japanischen Gesprächen zweifellos einen neuen, bislang unbekannten Akzent geben. Das könnte auf Kritik in den westeuropäischen Nachbarländern stoßen, wo man sich bislang— gerade um der japanischen Konkurrenz zuvorzukommen — um Konzernallianzen vornehmlich innerhalb Europas bemüht. Wichtigstes Beispiel für den Versuch, eine deutsch-japanische Allianz aufzubauen, sind die Gespräche zwischen Daimler-Benz und der Mitsubishi- Gruppe. Genscher warb in Tokio auch für ein stärkere japanische Unterstützung für die sowjetischen Nachfolgestaaten. Dabei unterstrich er eher formgemäß sein Verständnis für die japanischen Forderungen nach Rückgabe der zwischen Tokio und Moskau seit Kriegsende umstrittenen Kurileninseln. Von dieser Frage hat die Regierung in Tokio einen Ausbau ihrer Wirtschaftshilfe für die Staaten der GUS abhängig gemacht. Genscher erklärte, er erwarte eine baldige Einigung zwischen Rußland und Japan. Der deutsche Außenminister versprach seinem japanischen Kollegen weiterhin, sich für einen Beobachterstatus Japans innerhalb der europäischen KSZE-Konferenz einzusetzen.