Ein Dialog kam nicht zustande

■ IG-Metall-Konferenz in Berlin gegen den Kahlschlag in den neuen Bundesländern

Berlin (taz) — Es geht gar nicht um die Sanierung der ostdeutschen Betriebe. Marktbereinigung — das ist für die Gewerkschafter aus den neuen Bundesländern offensichtlich die prägende Erfahrung der letzten Monate beim Kampf um die Erhaltung von Industriebetrieben und Arbeitsplätzen. Auf einer „verteilungspolitischen Konferenz“ versuchte die IG Metall Ende der Woche in Berlin, ihre Vorstellungen zum industriellen Aufbau in Ostdeutschland zur Diskussion zu stellen. Eingeladen waren auch die Kontrahenten der Gewerkschaft, der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Hans-Joachim Gottschol, und sein Hauptgeschäftsführer Dieter Kirchner. Doch der angestrebte Dialog kam nicht zustande. Er zerschellte an den unterschiedlichen Interessen und Erfahrungen von West- und Ostdeutschen, von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern.

Staatssekretär Eeckhoff habe „von der wirklichen Situation der Menschen in Ostdeutschland keine Ahnung“. Der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Wolfgang Thierse sprach aus, was andere nur andeuteten: Den Aufschwung Ost gibt es nach wie vor nur in der Phantasie einiger Regierungspolitiker. Immer noch werden überlebensfähige ostdeutsche Betriebe flächendeckend stillgelegt. Nach wie vor fallen viele dem von Treuhand und Bundesregierung hochgehaltenen Vorrang für Privatisierung statt Sanierung zum Opfer.

Die Draht und Schrauben GmbH in Finsterwalde beispielsweise, früher ein florierender Betrieb mit 1.500 Beschäftigten, der auch dem schwedischen Autokonzern Volvo zulieferte, ist heute ein Rumpfbetrieb von etwa 250 Beschäftigten: Statt die von Betriebsräten und leitenden Angestellten erarbeitete Sanierungsstrategie zu unterstützen, verkaufte die Treuhand an einen westdeutschen Unternehmer, der nichts Eiligeres zu tun hatte, als einen Teil des Maschinenparks abzubauen und in Südafrika neu zu installieren. Solche Beispiele, so der IGM-Funktionär Hans Harald Gabbe aus Finsterwalde, könne er dutzendweise aufzählen: „Immer wenn sich was entwickelt, kommt die Treuhand dazwischen.“

Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident von Sachsen, kann den Vorschlägen der IG Metall für eine Umstrukturierung der Treuhand, einer Priorität für die Sanierung der industriellen Substanz in den neuen Ländern viel abgewinnen. Der Aussonderungsprozeß auf dem Arbeitsmarkt Ostdeutschlands, der vor allem die Frauen treffe, läuft — so Biedenkopf — mit „ziemlicher Brutalität“ ab. Während für die Kernaufgabe der Sanierung angeblich das Geld fehle, sei es aber für die Finanzierung der Arbeitslosigkeit da.

Gottschol setzte dem das Bild der engagierten, uneigennützigen Unternehmer entgegen, die nichts unversucht ließen, im Osten möglichst viele Arbeitsplätze zu retten oder aufzubauen. Behindert würden sie nicht von der Treuhand, sondern vom Tarifvertrag, der bis 1994 eine stufenweise Anhebung des Mindestlohns in der Metallindustrie Ost auf westdeutsches Niveau vorsieht. Er will diesen auch von den Arbeitgebern unterschriebenen Vertrag zwar nicht aufkündigen, doch eine Öffnungsklausel mit der Möglichkeit einer Fristverlängerung wäre ihm schon recht. Martin Kempe