Wird die Humboldt-Universität privatisiert?

■ Restitutionsansprüche behindern Universitätsbetrieb: Keine Investitionen möglich/ Dame aus England meldete sich als Erbin

Berlin. Der Lehrbetrieb der Humboldt-Universität im Ostteil der Stadt wird von den ungeklärten Eigentumsverhältnissen ernsthaft beeinträchtigt. Selbst auf das Hauptgebäude der Universität, das stilvoll »Unter den Linden« gelegene Prinz- Heinrich-Palais, gibt es zwei Restitutionsansprüche von privat, wie der Sprecher des Finanzsenators, Thomas Butz, bestätigte. Solange diese Ansprüche nicht geklärt sind, darf die Universität nichts investieren und nicht anbauen, klagte der Baudirektor der Universität, Benischek. Nur kleine Reparaturen zur »Verkehrssicherung« sind erlaubt.

»Auf welcher Grundlage diese Restitutionsansprüche gestellt wurden, ist mir ein Rätsel«, schimpft Benischek. »Prinz Heinrich hat das Palais vor 80 Jahren der Uni geschenkt, seitdem wird es von ihr genutzt.« Zudem sei Prinz Heinrich schwul gewesen, »Erben kann es also nicht geben«. Einer der Restitutionsansprüche wurde dem Vernehmen nach von einer Dame aus England gestellt, die womöglich mit den Hohenzollern verwandt ist. Der andere Antrag soll von der AOK kommen — dies freilich bestritt deren Geschäftsführer Schirmer entschieden.

Die Uni hat ohnehin erhebliche Schwierigkeiten, ihre Räume zu nutzen. Über 50 Prozent der Universitätsgebäude sind von der sogenannten »Preußenfrage« betroffen, bei der es um viele Gebäude aus früherem preußischen Besitz geht, um den sich der Bund und das Land Berlin streiten, berichtet Benischek weiter. Weitere 20 Prozent der Universitätsgebäude sind belastet durch Ansprüche Dritter. Fast der ganze Rest ist nur gemietet, wozu etwa ein Teil der Staatsbibliothek gehört. Die Friedrich-Engels-Kaserne hinter dem Hauptgebäude, die die Uni schon für ihr Eigentum hielt, beanspruchte der Bund erfolgreich für sich. Die juristische Fakultät, die in einem Teil der Kaserne Platz fand, zahlt nun dem Bund eine »exorbitant hohe« Miete, so Benischek.

Bei der Senatsverwaltung für Wissenschaft bestätigte man, daß die Uni unter den zahlreichen Restitutionsansprüchen leide. »Das liegt jedoch am Einigungsvertrag, das können wir nicht ändern«, sagte Sprecher Helmut Lück. Wenn die Humboldt-Universität irgendwelche baulichen Maßnahmen in Auftrag gebe, etwa den Einbau neuer Fenster, mache sie sich schadensersatzpflichtig gegenüber jemanden, der einen Restitutionsanspruch durchsetze. Man werde das Abgeordnetenhaus um Maßnahmen bitten, die der Universität erlaubten zu investieren. Finanzsprecher Butz versicherte, daß auch das Land Berlin einen Besitzanspruch auf das Hauptgebäude der Universität angemeldet habe. Man rechne damit, daß die Uni in Landesbesitz übergehe. Wann dies allerdings geklärt werde, konnte Butz nicht sagen. Eva Schweitzer

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