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Mikro-Technik-Revolution im Hotel

■ Von Aktoren und „intelligenten Pillen“ - Zukunftstechnik-Kongreß in Bremen

Mehrere hundert dieser Pinne sind zusammen einen Millimeter breit. Mikrotechnik von Karl Suss

Eine „Revolution in der Mechanik“ steht bevor, die in den nächsten 20-30 Jahren die Technik verändern wird wie die Mikroelektronik in den vergangenen 20 Jahren. 238 Wissenschaftler und Ingenieure aus 20 Ländern, die an dieser Revolution arbeiten, haben einen Kongreß der VDI/VDE im Bremer Parkhotel besucht, Prof. Wolfgang Ehrfeld vom Institut für Mikrotechnik (Mainz), der dies gestern so prononciert vertrat, ist einer von ihnen.

„Actuator 92“, der Name des Kongresses, leitet sich ab von seinem Leitthema: „Aktoren“. Dies sind sind mikroskopisch kleine Bauelemente. Der Trend zur Miniaturisierung der Technik hat zu winzig kleinen „Sensoren“, die Signale aufnehmen und den Mikrocomputern, die die Daten erfassen und verarbeiten, geführt. Als drittes Element fehlten für die technischen Mikrosysteme noch die „Muskeln“ und „Arme“, die Bewegungen und Reaktionen ausführen. Die „Aktoren“ sind noch ein wenig Stiefkind der Mikro- Technik.

Im Parkhotel ging es also um Zahnräder und Mechanismen, die tausendstel von Millimetern klein sind. Nur in erheblicher Vergrößerung können diese Geräte auf einem Bildschirm gezeigt werden, etwa der menschenhaar

große Rotor von Micro-Parts (Karlsruhe).

Der vom Bundesforschungsministerium und dem Land Bremen finanzierte Kongreß diente aber vor allem dem Technologie- Transfer in die Industrie — hundert Millionen im Durchschnitt gibt die Bundesregierung im Jahr an Fördermitteln aus. In weiten Bereichen bedarf der Schritt in die Anwendung und in die Fertigungspraxis noch der öffentlichen Förderung, damit die Chancen der Mikrotechnik genutzt werden können.

Zum Beispiel werden in der Chirurgie noch überwiegend grobe Instrumente benutzt. Die durch die medizinischen Eingriffe geschaffenen großen Wunden heilen langsam und erzwingen lange Krankenhausaufenthalte. Die Mikrotechnik ermöglicht es, die Sensoren und Aktoren mit Sonden an die betreffende Stelle zu führen und den Eingriff nur ganz gezielt vorzunehmen.

In der Autofocus-Automatik haben „piezoelektrische“ Aktoren bereits eine breite Anwendung gefunden. Bei den CD-Playern wird die Feinjustierung des Laser-Strahls noch mit aufwendigen elektromechanischen Mechanismen hergestellt — die Batterien für die tragbaren CD-Player reichen deswegen nur für zwei

Stunden.

In der Medizin geistert der Traum von „intelligenten Pillen“ durch die Forschungslabors: auf pillenkleinen Trägern soll die Sensorik installiert sein, um zum Beispiel den Blutzuckergehalt zu messen. Ein Computer „kennt“ die Werte des Menschen und verarbeitet die Information — was noch fehlt, ist die Technologie eines „Aktors“, der feindosiert ein Ventil öffnet, um das notwendige Insulin zuzugeben — die nur den Bruchteil eines Millimeters kleine „Dosierungspumpe“ könnte Zuckerkranken in den Arm eingepflanzt werden. Auch andre Medizin könnte in „intelligenten Pillen“ feingesteuert an den Körper abgegeben werden.

Eng verbunden mit der Aktor- Forschung sind Entwicklungen neuer Materialien. Prof. Stöckel (Raychem Corporation, Menlo Park) stellte eine „Formgedächtnis-Legierung“ vor, d.h. ein Material, das bei verschiedenen Temperaturen deutlich unterschiedlich reagiert. Diese Materialien, die zunächst als „Magic Material“ nur in Scherzartikeln verwendet wurden, finden langsam erste Nutzer in der Automobil- und Flugzeugindustrie. „Elektro-rheologischen“ Flüssigkeiten finden erste Anwendung als „aktive Schwingungsdämpfer“. „Die Entwicklung ist dramatisch“, sagt Prof. Ehrfeld, ein „neues technologisches Rennen“ sei im Gange. Die miniaturisierte Technik werde in manchen Bereichen leistungsfähiger sein als die alte, insgesamt vor allem aber preiswerter. „Diese Entwicklung steht erst am Anfang.“ Ehrfeld forderte mehr und breitere Anstrengungen der bundesdeutschen Forschungspolitik und Technologieförderung, damit nicht in 20 Jahren japanische Produkte den Markt der dann miniaturisierten Technik beherrschen: „Wir brauchen eine neue Denkweise. Wir brauchen den Willen, zu siegen im HochtechnologieBereich.“ K.W.

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