: UNTERSUCHUNG DER STIFTUNG WARENTEST ZU POTENZFÖRDERNDEN PILLEN
Irrwege zur Manneskraft
Berlin (taz) — Sie heißen „Sexvital“, „Penisex Tropfen“, „RS 2000“ oder „Spanische Fliege“ und haben nur eins zum Ziel: Die ach so brüchige und empfindliche Manneskraft zu stärken. Denn sogar bei Männern unter 40, eigentlich ja noch das brauchbare Alter, leidet jeder vierte unter dauerhaften Potenzstörungen. Das sind, auf die taz-Belegschaft hochgerechnet, zwei bis drei Stück Mann, wenn man miteinbezieht, daß sensible Linke unter dieser Fehlfunktion sicherlich öfter leiden als der Bevölkerungsdurchschnitt. Kurzzeitig ist gar fast jeder Mann betroffen. Ein riesenhafter Markt tut sich also auf: So beläuft sich etwa die angeblich zum dauerhaften Steh-Erfolg führende Dosis des Mittels „Emasex“ auf 540 Kapseln, zu schlucken in drei bis vier Monaten, für die der Schlappschwanz 500 Mark und mehr berappen darf. Grund genug für die Stiftung Warentest, die Wirkung der in Apotheken freiverkäuflichen Mittelchen zu prüfen, und zwar, wie ein Sprecher der Stiftung erläuterte, per „Literaturstudie“: Anhand der Literatur habe man geprüft, welche Wirkung die Wirkstoffe dieser Pillen entfalteten. Eine „praktische, klinische“ Prüfung habe es nicht gegeben.
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Das meiste hilft nichts. So ist in einigen Präparaten Yohimberinde enthalten, der eine durchblutungsfördernde Wirkung zugeschrieben wird, wenn auch nie so recht nachgewiesen. Eine ähnliche Wirkung läßt sich wohl auch mit Rheumasalbe erzielen, vermutlich dürfte dann ein darübermontiertes Kondom — falls machbar — sinnvoll sein. Von Selbstversuchen mit der garantiert durchblutungsfördernden Gelenksalbe Mobilat wurde allerdings im Kollegenkreis abgeraten. Andere von der Stiftung untersuchte Heilmittel hatten zwar tatsächlich eine belebende Wirkung, was beispielsweise durch die Beigabe von Koffein erreicht wird, jedoch habe, so die Stiftung, eine Tasse Kaffee die gleiche Wirkung, die zudem billiger sei. Auch Alkohol, in Maßen genossen, hilft mehr als jede Chemie, während die Beigabe von Vitaminen nicht schadet, aber auch nicht nützt. Potenzholz, in den Tropen geschlagen(!), hat eher eine appetitanregende und verdauungsfördernde Wirkung statt einer aufbauenden, solange man nicht ein entsprechend zugeschnittenes Stück an der Manneszier festbindet. Auch Stierhodenextrakt wirkt, wenn überhaupt, nur in Dosen, die jene der handelsüblichen Präparate um ein Vielfaches überschreiten. Ganz unnütz seien die „Liebestropfen Milan“, die angeblich auch unauffällig in ein Glas Wein getropft als „Voodoo-Extase-Cocktail“ ihre hinterhältige Wirkung entfalten sollen. Und ein seit dem Mittelalter bekanntes Mittel wie die Spanische Fliege — aus dem Käfer „Lycra vesicatoria“ destilliert — ruft gar Entzündungen hervor, sehr gerne in der Harnröhre und im Beckenbereich, was zwar die in Frage kommenden Organe empfindlicher macht, in höheren Dosen jedoch zu häßlichem Blasenwurf auf der Haut, zu einer schmerzhaften Dauererektion und schließlich zum Tod führen kann. Doch keine Angst! Alle in Deutschland rezeptfrei verkauften Medikamente sind so schwach dosiert, daß weder Wirkung noch Nebenwirkung stört. Wenn überhaupt Steh-Erfolge eintreten, dann nur langfristig. Den— offenbar nicht unüblichen — Gang in die Nachtapotheke unter dem Motto: „Pille einwerfen, und alsbald geht's los“ kann sich der unter akutem Erfolgszwang stehende Mann also sparen. Eher natürliche, wenn auch wirkungslose Mittel seien, so die Tester, ein Bad mit einem Kilo Erdbeeren und zwei Kilo Buttermilch beigemischt, der Genuß von Endiviensalat, Kümmel, Sellerie oder Artischocken, erfährt man weiter. Casanova schließlich schwor auf Paprika, Madame de Pompadour auf Vanille und die alten Römer auf Spatzenfleisch. Erfolgreicher scheint da der Geheimtip des Redakteurs: „Zwei Stunden Fußballspielen und dann ab unter die Dusche, dann geht es immer“, rät er. Behutsameres schlägt die Stiftung vor. In der Regel seien psychische Gründe die Ursache von Frigidität und Impotenz: zuwenig Zärtlichkeit und Ansprache, die Einstellung zum Partner und zur Sexualität. „Ein Abend bei Schampus und Kerzenlicht hilft eher“, meint man dort. Eva Schweitzer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen