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G-7: Alter Wein in neuen Schläuchen

Die Abschlußerklärung zum Weltwirtschaftsgipfel besticht vor allem durch ihre unverbindlichen Absichtserklärungen/ Keine Fortschritte beim Gatt-Abkommen über Liberalisierung des Welthandels  ■ Aus München Donata Riedel

Der Weltwirtschaftsgipfel war ein voller Erfolg — für die Sicherheitskräfte, denen es gelungen ist, zumindest den deutschen Bundeskanzler vollständig von der Münchner Bevölkerung abzuschotten. Bevor Helmut Kohl gestern mittag die gemeinsame Abschlußerklärung der G-7- Regierungschefs verlas, lobte er „das große Verständnis der Münchner Bevölkerung für die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen“. Sein britischer Kollege John Major zeigte sich sensibler und bat die Münchner „nachträglich um Verständnis für die Behinderungen“. Ihm, so Major, wäre es auch lieber gewesen, durch die Münchner Innenstadt gehen zu können, ohne beständig an Sicherheitssperren zu stoßen. Nach drei Tagen Gipfelspektakel war es gestern kaum möglich, in der Stadt auch nur einen einzigen gipfelfreudigen Münchner zu finden.

Inhaltlich konnten die 4.234 Medienvertreter wenig Erfolg aus der Abschlußerklärung der Regierungschefs aus den USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada herauslesen. Das 700-Millionen-Dollar-Sofortprogramm zur Behebung der gröbsten Sicherheitsmängel an den 57 in Betrieb befindlichen Atomkraftwerken sowjetischer Bauart wurde nicht als Paket der G-7 verabschiedet, wie Kohl es geplant hatte. In der gemeinsamen Erklärung findet sich lediglich ein nicht näher definiertes „multilaterales Aktionsprogramm“, das „klare Prioritäten entwickeln, die Kohärenz der Maßnahmen bewirken und ihre frühestmögliche Umsetzung gewährleisten“ soll.

Die sogenannte Gruppe der 24 (G-24; alle Industrieländer sowie Südkorea, die Türkei, die Golfemirate und Polen), die bislang bereits die nukleare Sicherheit in den osteuropäischen Reformstaaten koordiniert, soll sich auch mit den AKWs in der früheren Sowjetunion befassen. Unverbindlich wird den osteuropäischen Ländern die Verstärkung „bilateraler Hilfen“ versprochen, für den von Kohl gewünschten „multilateralen Mechanismus“ treten die G-7 nur „soweit angebracht“ ein. Einen Fonds, der von den G-24 und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung koordiniert werden soll, wird es nur dann geben, wenn die „Völkergemeinschaft“ sich „einladen“ läßt, „zur Finanzierung beizutragen“.

Kohls Gipfel-Sherpa, der Finanzstaatssekretär Horst Köhler, sprach dennoch von einem Erfolg, weil der „Gesamtansatz gesichert“ sei und die Entwicklung von Energiealternativen jetzt vorangehen könne. Kohl wertete als Pluspunkt, daß „eine gemeinsame Sensibilität“ auch mit den Japanern erreicht werden konnte.

Über weite Strecken haben die G-7 in ihrer Münchner Gipfelerklärung alte Statements des letztjährigen Londoner Gipfels recyclet und auf neues Papier gedruckt. Beispielsweise zu den Verhandlungen von 164 Staaten über ein neues Welthandelsabkommen (Gatt) in Genf: Bis zum Ende des Jahres soll die sogenannte Uruguay-Verhandlungsrunde mal wieder endgültig abgeschlossen werden. Während Kohl diese Leerformel mit dem US-amerikanischen Wahlkampf und dem Maastricht-Referendum begründete, zeigte sich John Major „tief enttäuscht“. Der Gastgeber des Londoner Gipfels, dessen Ergebnislosigkeit hier als mitverantwortlich für den August- Putsch in Moskau gilt, hatte auf Gipfellorbeer gehofft, indem er in München das Gatt immer wieder in die Diskussion brachte.

Als dann ein Umweltaktivist in Majors Pressekonferenz ein Transparent entrollte und beklagte, daß in London und auch in Rio nur immer wieder neue folgenlose Statements verabschiedet worden seien, meinte der britische Premier nur trocken: „Dem würde ich zustimmen.“ Die einzige G-7-Delegation, die den Gipfel ernsthaft als Erfolg wertete, war die japanische.

Japans Premierminister Kiichi Miyazawa freute sich über die Aufnahme des Südkurilen-Konflikts in die Politische Erklärung von Dienstag. Seiner Meinung nach ist es den sieben reichsten Industriestaaten der Welt außerdem erstmals gelungen, eine gemeinsame Sicht auf die Probleme Rußlands und Osteuropas zu entwickeln.

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