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Krauses demokratischer Zentralismus

Gestern verabschiedete das Bundeskabinett die Bahnreform und den Bundesverkehrswegeplan/ Verkehrsminister Krause startet einen weiteren Angriff auf demokratische Planungsverfahren  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) — Gestern war Verkehrsminister Krauses großer Tag: seine Kabinettskollegen beschlossen die Bahnreform und segneten den Bundesverkehrswegeplan ab. In dieser positiven Atmosphäre legte Krause gleich noch einen Maßnahmenkatalog vor, der die weitere Befreiung der Verkehrsplaner von lästigen demokratischen Prozessen vorstellt. Deutschland als wichtigstes Transitland im Herzen Europas könne sich Planungszeiten von im Schnitt 15 Jahren nicht leisten.

Krause will das in den neuen Bundesländern bereits geltende Beschleunigungsgesetz auch auf den Westen ausdehnen. Protestierende Bürger und mäkelnde Verwaltungen sollen durch Investitionsmaßnahmengesetze ausgeschaltet werden: private Planungsgesellschaften bereiten die Entscheidungen vor, und dann wird nur noch im Bundestag abgestimmt — und los geht's für die Dampfwalzen! Als Pilotprojekt schlägt Krause ein 14 Kilometer langes Stück der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Hannover und Berlin vor.

Während Krause aber für diesen neuesten Plan noch kein grünes Licht seiner Kabinettskollegen bekommen hat, gingen für die Umwandlung der Reichs- und Bundesbahnen in eine Aktiengesellschaft die Signale auf Grün. Krause kündigte an, schnellstmöglich Vorschläge für eine Änderung von Grundgesetzartikel 87 zu liefern — denn der definiert die Bahn noch als Behörde. Mit der Schuldentilgung hat er es hingegen weniger eilig: Erst ab 1996/97 will der Minister anfangen, die schon heute 50 Milliarden Mark Miese abzustottern. Finanziert werden soll die Begleichung der „Altlasten“ nach seiner Vorstellung aus Gewinnen der Bahn, die er nach zehn Jahren erwartet, durch Verkäufe von Grundstücken und durch Straßenbenutzungsgebühren. Weil Gebühren aber immer nur zweckgebunden eingetrieben werden dürfen, wären hierfür noch einige fiskalische Tricks vonnöten.

Die Straßenbauprojekte im neuen Bundesverkehrswegeplan müssen im Herbst noch vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. 11.600 Kilometer Autobahnen und Fernstraßen sollen bis zum Jahr 2005 neu oder verbreitert durch die Landschaft gehauen werden. Mit massivem Widerspruch von seiten der SPD ist nicht zu rechnen, auch wenn sie pflichtschuldig die Vernachlässigung der Bahn moniert. Denn schon beim Ausfüllen ihrer Wunschzettel, die sie bis zum Winter ans Bundesverkehrsministerium schicken mußten, hatten die SPD-regierten Länder keine Zurückhaltung walten lassen. Nachdem Krauses Ministerialen die Anträge mit einem Nutzen-Kosten- Wert versehen hatten und auch ökologische, städtebauliche und verkehrspolitische Kriterien zusammengestellt hatten, konnten die Länderverkehrsminister in Einzelgesprächen nachverhandeln.

„Die Gespräche sind sehr gut gelaufen“, meint zum Beispiel Rainer Peters, Sprecher des niedersächsischen Verkehrsministeriums. Nur an einem Punkt habe man sich nicht einigen können: während Krause unbedingt die A20, eine 70 Kilometer lange Autobahn westlich von Hamburg, als „vordringlichen Bedarf“ in den Bundesverkehrswegeplan aufnehmen wollte, favorisierte die Landesregierung einen Wesertunnel südlich von Nordenhamm. Jetzt stehen beide Projekte in dem gestern vom Kabinett verabschiedeten Plan, und Peters ärgert sich lediglich darüber, daß die für die Autobahntrasse veranschlagte eine Milliarde aus dem für Niedersachsen vorgesehenen Straßenbautopf von 4,5 Milliarden bezahlt werden soll.

Das Geld ist das Limit: Auf 493 Milliarden Mark bezifferte Krause gestern die notwendigen Verkehrsinvestitionen bis zum Jahr 2010. Weil aber Finanzminister Waigel bei derartigen Summen entschieden den Kopf schüttelt, brachte Krause gestern erneut die private Finanzierung ins Gespräch. Für fünf Straßenbauprojekte, darunter eine neue Elbtunnelröhre bei Hamburg, will er nichtstaatliche Investoren suchen.

Erneut versuchte Krause, sich als Förderer der Bahn darzustellen: Während nämlich für den Straßenbau „nur“ 191 Milliarden veranschlagt werden, sollen 195 Mrd. in Auf- und Ausbau der Bahn investiert werden. Dieser Vergleich ist im Grunde unzulässig: Während nämlich die Straßen nach der Verabschiedung im Bundestag gesetzlich abgesegnet sind, wird der Bundestag mit den Schienenprojekten im Bundesverkehrswegeplan gar nicht befaßt. Sie liegen schlicht außerhalb der Reichweite der ParlamentarierInnen. Ob die Bahnverwaltung die Planung tatsächlich in Angriff nimmt, ist letztlich vor allem davon abhängig, ob sie das Geld dafür hat. Auch die Bahnreform ändert hieran nichts. Die SPD hat im Mai in einem Gesetzentwurf verlangt, daß auch die im Bundesverkehrswegeplan aufgeführten Bahnprojekte vom Parlament verabschiedet werden müssen.

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