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Jugendsex: Liebe und Treue sind in

■ Hamburger Forscher verglichen die wilden 70er mit den 90er Jahren / AIDS-Gefahr prägt die Sexualität der Teens kaum

/ Aids-Gefahr prägt die Sexualität der Teens kaum

„Wer zweimal mit der Gleichen pennt, gehört schon zum Establishment“ — diese Parole der um ihre sexuelle Befreiung ringenden Teens und Twens der 70er Jahre ist out. Die Großstadtjugend von heute sehnt sich stärker als die Hippie- Generation nach Liebe und einer dauerhaften Beziehung. Dieses Fazit zog gestern ein Forscherteam der Uni-Klinik Eppendorf aus einer Befragung unter 700 Schülern im Alter von 16 und 17 Jahren in den Städten Hamburg, Frankfurt/Main und Leipzig.

Vor allem die Jungen haben eine „Romantisierung“ erfahren, während die Mädchen selbstbewußter geworden sind. Letztere behalten beim „Kutschi“ mit dem männlichen Partner häufiger als ihre Freak-Schwestern die Kontrolle über das Geschehen. Zudem beschreiben sie ihre genitalen Erlebnisse als weniger befriedigend, was die Wissenschaftler darauf zurückführen, daß die Mädchen der Post- Sexrevolte ehrlicher zugeben, daß die Lust manchmal ausbleibt. Jungen zeigen sogar eine wachsende Neigung zur Enthaltsamkeit. Insgesamt hat bei beiden Geschlechtern die Zahl der Koitus-Partner abgenommen. Erste Auswirkungen des Aids-Zeitalters?

„Nein“, meinen der Hamburger Professor Gunter Schmidt und sein Team. Die Angst vor der HIV-Infektion ist minimal. Nur knapp zehn Prozent der Interviewten gaben Aids-Angst als Grund für den Lümmeltüten-Einsatz an. In erster Linie dient dieser zur Schwangerschaftsverhütung. Die Popularität des Latex-Überzugs steht für eine generell verbesserte Einstellung der Kids zu Verhütungsmitteln.

Die Tatsache, daß sich der Trend zur Treue und tiefen Gefühlen vor allem bei den Jungen bemerkbar macht, während die Mädchen selbstbewußter wirken, ist für die hanseatischen Sexualforscher vielmehr ein Indiz für geänderte Geschlechterrollen. Dazu paßt, daß wesentlich mehr Teens als in den siebziger Jahren ein gleichberechtigtes Partnerschaftsmodell bevorzugen. Außerdem erleben Jungen ihre Sexualität heute weniger dranghaft und impulsiv. Nicht der Trieb bestimmt den Umgang mit Frauen, sondern Einfühlsamkeit.

Aids ist nach Ansicht von Gunter Schmidt auch keine Erklärung für die Abnahme homosexueller Kontakte bei den Jungen. Bekannten sich 1970 noch 18 Prozent der Befragten zu gleichgeschlechtlichem Sex, waren es 1990 nur noch zwei Prozent. Bei den Mädchen stagnierte das Ergebnis bei sechs Prozent. Homosexualität habe trotz einer liberaleren Haltung der Öffentlichkeit eine erneute Tabuisierung erfahren, so der Forscher. Deshalb könnte sie von den Jugendlichen verdrängt werden.

Unteschiede ergeben sich im Ossi-Wessi-Vergleich. Die Leipziger Mädchen sind koitus-erfahrener und aktiver als ihre Westkolleginnen und empfinden Sex als befriedigender. Die Jungen-Ost haben ein traditionelleres Rollenverständnis als die Jungen-West. Parallelen gibt es hingegen im Bereich sexueller Gewalt. Jeweils rund vier Prozent der Ost- und West-Mädchen haben sie schon erlebt. Sigrun Nickel

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