: EAT THE RICH! Von Mathias Bröckers
Die deutschen Großbanken haben gerade wieder einmal bilanziert: die Hyper- Traumergebnisse der Vorjahre wurden erneut gesteigert, die Milliardengewinne explodierten weiter Richtung unendlich. Und da wundert es einen denn doch, daß die Regierung eines derart kapitalträchtigen Landes kein Geld hat, um Flüchtlinge und Asylsuchende angemessen und sicher unterzubringen — und die Lösung des Problems dem Mob überläßt. Brandstiftende Jung-Nazis und beifallklatschende Alt-Faschos als Speerspitze einer deutschen Regierung? Daß es so ist, daß der randalierende Pöbel im Kalkül der Regierenden liegt, zeigt ihre Reaktion auf die Krawalle: nicht der Schutz der Hilflosen vor dem Mob steht an erster Stelle, sondern Verständnis für dessen Wut und das Versprechen, ihm diesen Anblick nicht länger zuzumuten. Ein perfekter Biedermann wie Innenminister Seiters, der angesichts brennender Wohnheime die Asylgesetze in Frage stellt, wird so zum perfiden Brandstifter. Stellen wir uns vor, autonome Horden belagern die Hochburgen des Finanzkapitals und fordern das Ende der Zinsknechtschaft. Wäre es denkbar, daß sie ein Konferenzhotel in aller Ruhe abfackeln, während die Staatsmacht zuschaut? Und würde dann ein Bundesinnenminister erscheinen und das Eigentumsrecht in Frage stellen? Wäre ein Landesinnenminister denkbar, der Verständnis für die Gewalttäter äußert, weil es doch schließlich kein Zustand sei, daß 0,5 Prozent der Bevölkerung über mehr als 50 Prozent sämtlichen Kapitals verfügen, während sich 99,5 Prozent um den ständig schrumpfenden Rest prügeln müssen? Auch wenn die Zahlen stimmen, taugte doch dieses Szenario nicht einmal für einen Science-fiction-Film, geschweige denn für eine Dokumentation. Und warum? Weil die Garantie auf ewig wachsenden Reichtum ein sehr viel höheres Rechtsgut darstellt als brotlose Tugenden wie Anstand und Achtung der Menschenwürde — wenn's hart auf hart kommt, wird in Deutschland immer noch zuerst das Geld verteidigt und dann die Moral. Deshalb ist es auch unsinnig, jetzt den „starken Staat“ zu fordern, um der neudeutschen Freizeit-SA Herr zu werden — Gewalt ist das falsche Mittel, auch wenn die zwischen Blitzkrieg und Blauhelm verfahrene „Out of Area“- Debatte auf der Stelle beendet und unsere starke Truppe für friedensstiftende Defensiv-Missionen an der Heimatfront eingesetzt werden muß. Jedem Flüchtlingsheim seinen Trupp Bundeswehr sowie die GSG 9 als allzeit mobile Streicheleinheit, und der ekelhafte Terror hat morgen ein Ende. Darüber hinaus aber ist nicht der starke, sondern der soziale Staat gefordert. Wer behauptet, es sei kein Geld da, weder um Asylsuchende angemessen unterzubringen, noch um randalierenden Kids eine Perspektive zu bieten, der werfe einen Blick auf die Zinsgewinne der Großbanken, die Vermögen der Superreichen und die nach wie vor satten Profite der deutschen Industrie. Ist es zuviel verlangt, daß diejenigen, die als Export-Weltmeister von Wohlstandsmüll und Waffen fröhlich fett geworden sind, jetzt, wo die Antwort auf ihren „Segen“ in Form von Kriegsflüchtlingen ins Land zurückkommt, zur Kasse gebeten werden? Es wäre nur gerecht — und problemlos zu haben mit einem kleinen Dreh am Grundgesetz, freilich nicht am Asylrecht, sondern an der Eigentumsschraube. Eigentum verpflichtet! — Wenn Rostock kein Grund ist, die Geldsäcke endlich in die Pflicht zu nehmen, was dann?
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