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Frustrierte US-Bürger machen sich auf Verbrecherjagd

■ "Wunderbare Erfolge"

„Wunderbare Erfolge“

San Francisco (dpa) — Vier Monate nach den Rassenunruhen in Los Angeles wandert ein Vater rastlos durch die verwüsteten Straßen. Er sucht die Mörder seines Sohnes. In Pinole hat eine Frau eine Organisation gegründet, die vermißte Kinder und mutmaßliche Entführer aufspürt. In Oakland forschen zwei Schwestern nach Mitgliedern einer Straßengang, die ihren Bruder auf dem Gewissen haben. In mehreren Stadtteilen von San Francisco liegen Bürger mit Videokameras auf der Lauer, um Drogenhändler und deren Kunden auf frischer Tat zu ertappen.

Diese Beispiele aus Kalifornien stehen für viele andere: Immer mehr US-Bürger mögen sich nicht mehr auf die Polizei verlassen. Sie bilden Nachbarschaftsvereinigungen und Bürgerinitiativen oder gründen Stiftungen zur Verbrechensbekämpfung. Die Behörden sind zumeist dankbar dafür, weil die Gruppen eng mit den Strafverfolgern zusammenarbeiten und nichts mit Vigilanten genannten „Wachkomitees“ zu tun haben, die auf Selbstjustiz aus sind. Die Bürgerinitiativen gleichen die teilweise starken Stellenkürzungen bei der Polizei fast aller US-Bundesstaaten aus. Da sie bei Hinweisen aus der Bevölkerung auf Wunsch Anonymität garantieren, wenden sich viele, die den direkten Kontakt mit den Behörden scheuen, an sie.

Kim Swartz aus Pinole wurde aktiv, nachdem im Juni 1988 ein Unbekannter ihre damals achtjährige Tochter Amber entführt hatte. Die Mutter ist überzeugt, daß Amber lebt „und irgendwie spürt, daß ich sie eines Tages finden werde“. Aus der Hilfe von Freunden und Nachbarn erwuchs die Amber-Swartz-Stiftung, die in ganz Kalifornien nach Vermißten und mutmaßlichen Entführern fahndet.

Die Amber-Swartz-Stiftung arbeitet eng mit „Child Quest“ in San Jose zusammen, die auf internationaler Ebene vermißte Kinder und deren Kidnapper aufspüren hilft. Es werden nur Eltern unterstützt, die sich bereits an die Polizei gewandt haben. In den beiden Jahren ihres Bestehens trug die Organisation bereits zur Heimkehr von 132 entführten oder davongelaufenen Jungen und Mädchen bei. So gelang es ihr vor kurzem, im Bundesstaat Kansas eine junge Frau ausfindig zu machen, die vor 15 Jahren von ihrem Vater aus Deutschland entführt worden war. Inzwischen feierte die jetzt Zwanzigjährige ein Wiedersehen mit ihrer Mutter — „einer unserer wunderbarsten Erfolge“, wie Trish Williams, Direktorin von Child Quest, sagt.

Terry Leja in San Francisco will die Straßen in ihrer Nachbarschaft von Drogenhändlern und Prostituierten befreien. Die 37jährige hat sich einer Gruppe angeschlossen, die in ihrer Freizeit die Umgebung überwacht. Die Bürger sitzen mit Videokameras an den Fenstern und halten fest, wenn Rauschgift den Besitzer wechselt. Sie haben es dabei besonders auf die Kunden abgesehen: „Wo keine Käufer sind, finden sich auch keine Händler.“

Jeder Taxifahrer, der einen Drogenabhängigen zu einem Platz befördert, an dem Dealer warten, wird notiert und bei seinem Arbeitgeber gemeldet. Videoaufzeichnungen und Notizen landen bei der Polizei. Die verfolgt das Engagement inzwischen mit gemischten Gefühlen: Mehrere Freizeit-Detektive haben Morddrohungen erhalten.

Die Behörden in Kalifornien bestätigen jedoch einhellig, daß dank der Bürgerinitiativen die Aufklärungsquoten gestiegen sind. „Diese Gruppen ergänzen unsere Arbeit ausgezeichnet“, lobt Sergeant Dennis Luka, Sprecher der Polizeiabteilung in San Jose. „Ihre Fähigkeit liegt darin, daß sie die Menschen auf der Straße in ihre Aufgabe einbeziehen und mehr Bürger erreichen, als es uns selbst gelingt.“

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