Reiz(wäsche)los im Nebel

Erotik à la RTL: Der Privatsender lud zur Premiere seiner neuen Show  ■ »Rote Laterne«

Donnerstagabend, kurz vor neun Uhr: Vor der Großen Freiheit 36 steht ein etwas anderes Publikum als sonst üblich. Eine Horde von Pärchen, meist gesetzteren Alters, im neuesten Quelle-Schick gewandet, die Damen mit Dauerwelle, die Herren mit Schnauzer, wartet auf Einlaß. So sieht sie also aus, die Spezie des deutschen Durchschnitts-RTL-Fernsehzuschauers.

Diese Menschen haben sich hier eingefunden (und Eintritt bezahlt), weil sie die neue RTL-Show „Rote Laterne“ live miterleben wollen. Dieses Bedürfnis scheint ziemlich dringend zu sein, denn als der Türsteher den Eingang frei macht, gibt es kein Halten mehr. Ohne Rücksicht auf Fönfrisur, Schminke und mögliche Prellungen stürzt sich das Volk in die Arena — als wollten sie ihren Kids Konkurrenz machen, die ihnen zuviel vom letzten Michael- Jackson-Konzert erzählt haben. Vielleicht hat sich dort das Drängeln wirklich gelohnt, wer kann sich schon rühmen, die neueste

1Nase eines Weltstars gesehen zu haben?

Heute abend gibt es nur alte Nasen zu sehen — und schöne junge Frauen in leichter Bekleidung. Die Träger der Ersteren ergehen sich in platten Sprüchen („Das Leben ist kurz und die Theke ist lang“), und

1oberflächlichem „Talk“, letztere winden sich mit Schlangen auf der Bühne oder reißen sich in Trockeneisnebel gehüllt die Reizwäsche vom Leib. Eine Sängerin, die angezogen bleibt — viel ist es ohnehin nicht — wird vom Publikum mit „Ausziehn! Ausziehn!“-Rufen bedacht. Ansonsten ist die Stimmung im Saal trotz Freibier eher mäßig. Man klatscht, lacht und johlt aber brav, wenn ein Animateur auf der Bühne dazu auffordert.

Das wurde vorher mit einem „Anwärmer“ geübt und vorsichtshalber gleich auf Band aufgenommen, sicher ist sicher. Auch das Lichterschwenken bei Inga Rumpf („Wenn mich einer zwingt, wird es ein harter Tag heut' nacht“), wird nicht dem Zufall überlassen. Feuerzeuge werden verteilt und das Wedeln einstudiert. Nach zwei Stunden des „ebenso frech-frivolen und erotischen wie provokanten, komischen und originellen Programms“ (Zitat aus dem Presseinfo) sind alle so happy, daß das Finale gleich dreimal durchexerziert wird: Alle Beteiligten des belanglosen Spektakels versammeln sich nochmals auf der Bühne und verlassen diese mit einer Polonaise.

Möge doch alles Unheil dieser Welt so fröhlich enden! Für alle Unbeirrbaren: Erster Sendetermin ist der 2. Oktober, 22.15 Uhr. löf