: Ein Jahrtausendtraum
■ Der Kanal als Ausdruck deutschen Großmachtdenkens
Der Rhein-Main-Donau-Kanal war historisch weniger die Erfüllung des Menschheitstraums von einer Verbindung zwischen Nordsee und Schwarzem Meer, sondern eher Ausdruck deutschen Großmachtdenkens. Der erste Versuch von Karl dem Großen scheiterte 793 an schweren Unwettern. Nach zehnjähriger Bauzeit konnte Bayernkönig Ludwig I. 1846 zwar den „Ludwig-Donau-Main-Kanal“ von Dietfurt an der Altmühl nach Bamberg eröffnen, doch vier Jahre später war der Jahrtausendtraum bereits ausgeträumt. Mit dem Frachtaufkommen ging es steil bergab, die Konkurrenz der Eisenbahn war zu übermächtig.
Schon im Ersten Weltkrieg war Ludwig III. davon überzeugt, daß „Antwerpen deutsch werden“ müsse, weil es der „natürliche Hafen Süddeutschlands“ sei. Da aus der Annexion Belgiens nichts geworden war, forderte er 1916 auf der Tagung des bayerischen Kanalvereins, Donau und Main für die Schiffahrt herzurichten. Der Kanal sollte als kriegswichtig eingestuft werden. Die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg sorgte nicht für die Beerdigung der Kanalidee. 1921 schloß das Deutsche Reich und Bayern einen Staatsvertrag, um den „Plan der Main-Donau- Wasserstraße baldigst zu verwirklichen“. Eigens dafür wurde die Rhein-Main-Donau-AG gegründet und mit dem Bau des Kanals betraut.
Die Nationalsozialisten forcierten die Realisierung der Kanalidee. In den Aufsichtsrat der Rhein- Main-Donau AG zogen NSDAP- Mandatsträger ein. Im Januar 1936 wurde im Nürnberger UFA-Palast der Propagandafilm „Die Großschiffahrtsstraße Rhein-Main-Donau — ein Werk deutschen Aufbauwillens“ uraufgeführt. Der Anschluß Österreichs lieferte den Kanalbauern zusätzliche Argumente. Willy Liebel, Nürnbergs NSDAP- Oberbürgermeister und Vorsitzender das „Vereins zur Wahrung der Main-Donauschiffahrtsinteressen“, durfte am 19.März 1938 in Hitlers Privaträumen in der Reichskanzlei „dem Führer im engsten Kreis die Dringlichkeit der Beschleunigung des Ausbaus der Großschiffahrtsstraße im Hinblick auf die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Altreich“ darlegen. Mit Erfolg. Am 16.5.38 wird das Rhein-Main-Donau-Gesetz verkündet, das den Ausbau als Großschiffahrtsstraße bis zum Jahre 1945 vorsieht. Doch 1942 mußten die Bauarbeiten eingestellt werden. 1949 bestätigen Bund und der Freistaat Bayern die Verbindlichkeit der früheren Verträge. Bs
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