: Verblüffende Ausmaße von Mißverständnis
■ Huah! bis zum Schluß: Die Hamburger Gruppe um den Sänger namens Wald gibt ihr letztes Konzert an der Elbe
bis zum Schluß: Die Hamburger Gruppe um den Sänger namens Wald gibt ihr letztes Konzert an der Elbe
Nach Veröffentlichung ihrer zweiten LP Scheißkapitalismus nahm das Mißverständnis um die Gruppe Huah! verblüffende Ausmaße an. Das Kölner Weltnabel-Magazin Spex unterstellte „Verbissenheit“, der gutwillige Hamburger Indiecator bemühte mit „gekonntem Klauen“ Maßstäbe des vergangenen Jahrzehnts, und nur Christoph Gurk von Szene Hamburg stellte heraus, was für eine Haltung bei Huah! Komplimente rechtfertigt.
Sänger Wald ist an einer der naheliegendsten, schönsten Arbeiten dran, wenn er „Rock und Philoso-
1phie“ verbinden möchte. Ihm geht es bei stilistischen Verweisen um deren zugespitzte Verwendung, und nicht um den Witz als, wie so oft angenommen, ewig lauernde Endziel-Pointe.
Wenn Wald lakonisch-müpfig feststellt „Wir sind geworfen in diese Welt/ wie ein Bankier ohne Geld/ und irgenwann, da beißen wir ins Gras/ und ich hoffe vorher passiert noch was“, oder sinnstiftend reimt „Ich weiß das Leben ist nicht so schön/ Ich habe Probleme mit meiner Frisur/ Leihst du mir deinen Föhn“ zeigt das, wie es
1geht, sauber abzuwägen, bevor die Welt singend entlassen werden kann.
Mittlerweile führen alle Huah!- Mitglieder ihre Ideen neuen Projekten zu. Sängerin Nixe Giese hat gerade Aufnahmen mit den deutsch singenden, schlagerrockenden Mobylettes abgeschlossen. Bassist Mense Reents und Schlagzeuger Thorsten Wegner fungieren auch als Rhythmussektion für den genialisch abkippenden Texter und Ex- Mod Ingo Koglin bei dem Trio Licht.
Mit einem eindrucksvoll gemurmelten „Noch nicht spruchreif“ blockte Gitarrist Sonny Motor alle Recherchebemühungen bezüglich seiner neuen Gruppe ab. Keyboarderin Ulrike Becker ist noch mit Bass, Gitarre und Gesang bei Brüllen zu hören. Sänger Wald schließlich hat vor wenigen Monaten die Knarf Rellöm Sichtweise gegründet. Kompakt, und mit mutig geschrammelten Dur-Akkorden, konnte die KRS vor ein paar Wochen in einem Ottensener Dritte-Welt-Laden Lable-Gesandte überzeugen.
In dem hängerhaft-unwirklichen Verschlag an der Ecke Friedrichstraße/Balduinstraße geben Huah! ihr letztes Hamburger Konzert. Kristof Schreuf
8.10., Marquee 22 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen