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Senat beschließt: Polizei soll Drogenstrich abräumen

■ Gegen fachlichen Rat: Knappe Mehrheit für Zerschalgung des Friesenstraßen-Strichs / Koalitionskrach in Sicht

Die Bremer Polizei hat eine neue Aufgabe. „In aller Kürze“, so Innensentor van Nispen nach der Senatssitzung, soll der Drogenstrich in der Friesenstraße zerschlagen werden. Der Bus, in dem sich SozialarbeiterInnen um die drogenabhängigen Frauen kümmerten, wird abgezogen. Das Nachangebot, daß der „Verein für akzeptierende Drogenarbeit“ betreibt, wird abgeschafft. Die Friesenstraße wird so umgebaut, daß ein Durchgangsverkehr nicht mehr möglich ist. Den Rest soll des Nachts die Polizei erledigen. Gegen Freier, die im Halteverbot stoppen, soll mit der ganzen Härte der Straßenverkehrsordnung vorgegangen werden. Den Frauen wird mit der Sperrgebietsverordnung, dem Ordnungswidrigkeiten-Gesetz und der Strafprozeßordnung gedroht. Wer einmal erwischt wird, soll zahlen. Im Wiederholungsfalle droht der Knast.

„Ich habe monatelang für die Verlegung gekämpft“, machte Friedrich van Nispen kein Hehl aus der politischen Niederlage. Erst am Montag war die Vorlage für die Senatssitzung fertig geworden, in der die Priorität des Innensenators und der Sozialsenatorin deutlich wurde. Und die hieß: Verlegung des Strichs in den Waller Holzhafen, Aufbau eines verbesserten Betreuungssystems vor Ort und Polizei gegen die Frauen, die weiter im Viertel den Geschäften nachgehen.

Doch mit 5:3 Stimmen entschied der Senat anders. Lediglich die Senatoren van Nispen, Fücks und Uhl waren für Verlegung. Die anderen SPD-SenatorInnen plus Bürgermeister Claus Jäger entschieden für „zerschlagen“. Die Senatorinnen Gaertner und Trüpel waren auf Dienstreise, Henning Scherf noch in Urlaub.

In der Pressekonferenz ließ Innensenator Friedrich van Nispen keinen Zweifel daran, was er von dem Beschluß hält: „Mit polizeilichen Mitteln ist das Problem nicht in den Griff zu bekommen“, meinte er. In der Vorlage für die Senatssitzung war eindringlich vor den Folgen eines Zerschlagungsbeschlusses gewarnt worden: „Es wird eine Vertreibung und Verdrängung in andere Gebiete stattfinden, die mit repressiven Maßnahmen ohne einen alternativen Standort nur schwer kontrollierbar sein wird“, heißt es da. Und weiter: „Verdrängung des Drogenstrichs aus der Friesenstraße ohne einen alternativen Standort bedeutet letzlich eine Vertagung des Problems.“

Nach der Entscheidung droht nun ein heftiger Koalitionskrach. Die Grünen forderten direkt nach der Senatsentscheidung eine Sondersitzung des Koalitionsausschusses. In diesem Gremium hatte Bürgermeister Klaus Wedemeier Montag abend der Vorlage von van Nispen nicht widersprochen, weshalb sich Fraktionssprecher Martin Thomas „von Wedemeier hintergangen“ fühlt. Thomas forderte, daß der Senat noch einmal bei Anwsenheit aller Mitglieder über das Thema abstimmt. „So etwas in Abwesenheit der Sozialsenatorin zu machen, ist absolut untragbar.“ Umweltsenator Ralf Fücks bezeichnete den Beschluß als Kapitulation vor politischen Stimmungen.“

Ortsamtsleiter Hucky Heck kommentierte kurz: „Emtsetzt, falsch, unverständlich, sauer“, und auch die Wählergemeinschaft „Wir im Viertel“, die seit Monaten gegen den Strich kämpft, ist skeptisch: „Die Friesenstraße als Symbol werden sie hinkriegen“, meinte Stefan Schafheitlin. „Aber in kürzester Zeit haben wir die gleiche Lage an andere Stelle.“ hbk

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