: Sozusagen Sozio
■ Ein neues Kulturzentrum sucht ab morgen sein Volk: Das „Westend“ in Walle
Schmuck ist es geworden, unserm Arbeitnehmer sein klein Häuschen für Soziokultur an der Waller Heerstraße: „Westend“, das neueste bremische Kulturzentrum, vormals ein Straßenbahnausbesserungswerk, wird morgen um 11 Uhr feierlich ans Netz gehen. Vorbei all die Querelen und Anfechtungen, und die Kultursenatorin wird wohl, wie gestern schon vor der Presse, geradezu von einer „Ästhetisierung der Soziokultur“ sprechen. Das Haus hat nämlich schöne Fenster.
Und viele eigensinnig schrägwinklige Zimmerchen und Studios, dazu einen Theatersaal und eine große Regenwasserzisterne für die Klospülung. Eine gute Million Mark hat's gebraucht, bis die marode Halle mit Zwischendecke versehen und manierlich aufgeteilt war. Die Ressorts für Arbeit, Kultur und Bau haben zusammengelegt; und da fing das Geplänkel schon an. Ob nicht all das Geld bei den schon bestehenden und dennoch bitterarmen Zentren wie Schlachthof und Lagerhaus besser aufgehoben wäre, wendeten Unverbesserliche ein. Aber
hierhin die Gebäudezeichnung
(Mit Rahmen bitte!)
Ich war ein Straßenbahndepot
siehe, das Projekt war der liebste Fürsorgezögling von SPD und DGB, und so kam es voran.
Von einem „politischen Kind“ sprach Helga Trüpel mit schwach vergiftetem Lächeln, aber sogleich widersprachen die anwesenden Gewerkschaftsvertreter und hofften sehr auf Zulauf von der Basis, und viele hätten ja den Weg „vom Konsumenten zum Produzenten“ schon eingeschlagen. Auch von „Dialogen“ und „Prozessen“ war die Rede, und daß sich zu rechter Zeit herausstellen werde, was Soziokultur sei.
Nur eins kann jetzt schon als sicher gelten: Das „Westend“ ist ein Denkmal des Ungelernten Arbeiters. Großteils Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, lauter Ungelernte haben, unter der Regie der Planungswerkstatt, in zwei Jahren den ganzen Umbau mit allen Schikanen und feuerverzinkten Wendeltreppen bewerkstelligt, „eine Sensation und geradezu die Soziokultur der Tat“, sagte ein Sprecher der Planungswerkstatt, und der anwesende Polier neigte sein Haupt.
Arbeiter- und Angestelltenkammer sowie DGB und Kulturressort werden sich die laufenden Kosten von 150.000 Mark teilen. Das ist wenig Geld für viel Betrieb: Seminare, Workshops, Ausstellungen. Auch Theater- und Videogruppen haben Obdach erhalten. schak
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen