■ Querspalte: Tapfere AL-Tschekisten
Eines muß der Neid ihnen lassen: Sie werden – als einzige – auch nach ihrer Enttarnung noch richtig frech, die Kundschafter aus der Alternativszene. Kein: „Das haben wir alles nicht gewußt“ oder „Wir wollten doch nur Menschen in Bedrängnis helfen“ – sondern nur Bedauern, nicht den Untergang der DDR mitverhindert zu haben (Till Meyer) oder darüber, daß die PDS nicht solidarisch genug mit den ausgemusterten Trägern von Schild und Schwert ist (Klaus Croissant). Schließlich sei die Verfolgung „früherer Stasi-Mitarbeiter“ – also auch die eigene – „schändlich“. Der Bau der Mauer war notwendig, denn dahinter, im Westen, gab es zwar die Zeitschrift Rebe und Wein, aber gar keine richtige Freiheit, sagt der Experte.
Alles, was dieses hehre Bild des Überzeugungstäters für das bessere Deutschland in Frage stellen könnte, ist, ganz im alten RAF- Soli-Jargon, „infame Unterstellung“. Was heißt hier Verrat an der Linken? Es ging um das bessere Verstehen. Man kannte sich doch so wenig. Schon Dirk Schneider stilisierte sich zum immer verkannten, wahrhaft gesamtdeutschen Kommunikator hoch. Ein Thomas Gottschalk der Klandestinen. Gesprächspartner waren „Mitarbeiter der DDR“. Klingt doch besser als Führungsoffiziere. Seitdem sehen wir glatt in „unseren“ Verfassungsschutzspitzeln Vertreter des Bundeskanzlers. Und was heißt denn bitte Agentenlohn. Dirk Schneider erhielt eine „Art Zeilenhonorar“ als Journalist, so sagt er. Wegen Betriebsüberganges wird es nunmehr vom Neuen Deutschland übernommen. Er berichtet nach wie vor von AL-Meetings. Wer sich darüber öffentlich wundert, der fordert nur neue Berufsverbote. Auch Klaus Croissant mag dieses Wort Agentenlohn gar nicht. Schließlich gab es weder Lohnsteuerkarte noch Sozialabgaben. Nur 71.000 Mark, so heißt es. Und Frechheit siegt. Dirk Schneider kandidiert für die PDS in Kreuzberg, allerdings mit mäßigem Erfolg. Klaus Croissant nimmt seinen mehr als dubiosen Haftbefehl zum Anlaß, sich flugs ins Zentrum einer Solidaritätskampagne zu hieven, mit Unterstützungsunterschriften von Meyer, Schneider, Brie etc. Das macht doch Mut. Konnte denn Diskutieren Sünde sein, als „Linker“ West mit „der Linken“ Ost, genauer: mit der Stasi. Wir warten nunmehr auf offensives Outing weiterer FreundInnen des grenzüberschreitenden Disputes. Wolfgang Wieland
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Grüne
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