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Kein Rauch, wenig Feuer

■ Gutgemeint, altbacken: Veranstaltung zum Nichtrauchen / Motivation ist in — wie bloß?

Es gab die grausigsten Dias anzugucken: faustgroße Löcher in Menschenhälsen (Kehlkopf- Krebs), Geschwüre in der Unterlippe (Pfeifenraucher), ein blaubraun verfärbtes und biologisch totes Raucherbein kurz vor dem Amputation. Und hoch, geradezu entschlossen motiviert und einig wie selten bei einem Thema saßen im noblen Rathaus-Saal die Menschen, die zusammengekommen waren gegen die Gefahren des Zigarettenrauchens — genau 26. Und ein zweifellos engagiertes Podium versuchte, mit Folien, ausgelegten Faltblättern und zum Teil informativen Broschüren, gegen die Verlockungen abenteuerlicher Marlboro-Filme und professionell designter, höchst witziger Kamele anzukommen.

Das mit den Dias war eigentlich eindeutig veraltet, denn „Abschreckung hat sich längst als vergeblich erwiesen“, wußten die ReferentInnen unisono. Verhaltens- und Lernforscher wissen: Mit Drohungen bringt man niemand dazu, dauerhaft und überzeugt ein Verhalten zu ändern. Immer mehr, immer jüngere Menschen rauchen, darunter immer häufiger Frauen. Wie aber gegensteuern?

Also Aufklärung. 20% aller Todesfälle hängen mit dem Rauchen zusammen. Wenn eine Schwangere raucht, schnellt der Embryo- Puls auf 180, um den Sauerstoffmangel auszugleichen. Kassen und Versicherungen blechen dreimal soviel für Folgekosten, als die Tabaksteuer einbringt — und da hatte der gründliche Referent Dr. Humburger „Waldbrände und Mehrwertsteuer-Ausfälle wegen kürzerer Lebenserwartung der Konsumenten“ nicht mal eingerechnet. Kleines Augenzwinkern? Nein: Statistik, Realsatire!

Mit negativen Botschaften motiviert man aber keine Menschen! Da kommt jetzt aus Bayern und vielleicht bald auch in Bremen, das Projekt „Klasse 2000 rauchfrei“ , Gesundheitserziehung von 6 bis 16. Ein sehr gutgemeinter Versuch: Wir denken positiv! Der als „Sympathieträger“ gedachte, ziemlich dünne Strichmann „Klaro“, eine Art Smartie mit Beinen, natürlich fröhlich sonnengelb, wird es schwer haben gegen das bewußte Kamel, gegen Flugzeuge über Canyons im Sonnenuntergang. Mit „Klaro“ kommen „Experten mit Expertenkoffern“ in Schulklassen und zeigen und lassen selbsttätig und schüleraktiv nachmessen, daß sich beim Atmen die Brust hebt. Ganz lustige Fragebögen wollen die vergeblichen tristen Mahnungen von anno dazumal umschiffen und landen dann doch nur wieder bei „optimistisch“ gemeinten Szenen zum Ankreuzen: Was ist gut für Deine Gesundheit: Frisches Obst? Oder Bonbons??? Und bohren wie damals immer Muttern: Hast Du schonmal geraucht?? Woher kamen die Zigaretten? Und fragen positiv: Wo ist die Luft gut: Wo geraucht wird???

Herr Bitter von der Bremer Bildungsbehörde gab freimütig zu, daß daß das Bremer hausgemachte „Schule-rauchfrei“-Projekt bislang den Lehrerkollegien „nur wie sauer Bier“ angeboten werden konnte, daß aber einzelne LehrerInnen gutes Material dringend nachfragen. Ob Klaro nach Bremen kommt, ist noch nicht sicher: Das Gesundheits-Ressort findet die Kampagne doch eher ein bißchen platt.

Die ÄrztInnen sind inzwischen nachdenklich geworden. Spät entdeckter Krebs ist meist ein Todesurteil, nur Prävention ist Hoffnungsträgerin. „Aber wie sollen wir als Zitronenhändler unter Zuckerbäckern jemand motivieren? Da müssen die Pädagogen uns weiterhelfen“, wünschte sich Dr. Bonk, Chefpathologe und AG-Früherkennungs-Leiter der aktiven Bremer Krebsgesellschaft.

Gesundheits-Senatorin (und Nichtraucherin) Irmgard Gaertner fand einführend, es geht womöglich „nur mit Aufklärung“, hielt aber eigentlich „mehr von Beispielen“ und bekannte, die Werbung für Tabak sollte verboten werden und mit ihr das so falsche Raucher-Image „schön, aktiv, sportlich“. Island übrigens ist schon viel weiter: Bis zum Jahr 2.000 soll die ganze Insel völlig rauchfrei sein, Qualmen ist längst in öffentlichen Gebäuden und sogar auf Plätzen draußen verboten, Werbung sowieso. Und die Zahl der einsteigenden Jugendlichen fällt und fällt, meilenweit. S.P.

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