piwik no script img

Soll Bubis?

■ Streit um Redner zur Machtergreifung

Schon im Vorfeld droht ein Parteien-Hickhack um eine Sondersitzung, die der niedersächsische Landtag zum 60. Jahrestag der nationalsozialistischen Machtergreifung geplant hat. Auslöser ist der öffentliche Vorstoß des CDU-Fraktionsvorsitzenden Jürgen Gansäuer, Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) als Redner zu gewinnen. Von SPD und Grünen wurde Gansäuer gestern vorgeworfen, mit seinem Vorschlag verlasse er aus parteitaktischen Gründen die Absprache der vier Landtagsfraktion, sich intern gemeinsam auf Redner zu einigen. SPD- Fraktionschef Johann Bruns verwies auf seinen Vorschlag, einen prominenten Juden zu der Sitzung zu laden.

Landtagspräsident Horst Milde (SPD), auf dessen Vorschlag die für den 29. Januar geplante Sondersitzung zurückgeht, bedauerte die öffentliche Auseinandersetzung. Er freue sich aber, daß SPD, CDU, FDP und Grüne seinem Vorschlag gefolgt seien. Es gebe nun „Koordinierungsbedarf“ wegen der unterschiedlichen Vorstellungen hinsichtlich der Redner.

Bruns und der Grünen-Abgeordnete Hannes Kempmann betonten, in der Sondersitzung sollte jemand zu Wort kommen, der die Opfer des Nationalsozialismus repräsentiere. Der öffentliche Streit müsse rasch beendet werden, forderte Kempmann. Aus der FDP-Fraktion hieß es, man werde natürlich den Vorschlag der CDU unterstützen, versperre sich aber auch nicht anderen Rednern. Genscher habe bisher von dem Vorhaben noch nicht unterrichtet werden können, da er sich zur Zeit auf einer Auslandsreise befinde.

CDU-Fraktionssprecher Joachim Ludewig rechtfertigte das Vorgehen seines Vorsitzenden Gansäuers. Es seien auch mehrere Redner denkbar. Der ehemalige langjährige Außenminister der Bundesrepublik genieße sowohl im Inland als auch im Ausland über Parteigrenzen hinweg ein großen Ansehen. Ein „entweder oder“ dürfe es hinsichtlich der Redner nicht geben. Neben Genscher könne „als zweiter Redner auch ein Israeli sprechen“. SPD-Fraktionschef Johann Bruns hat inzwischen mehrere Namen vorgeschlagen, darunter die beiden ehemaligen Botschafter Israels in Deutschland, Meroz und Asher Ben Nathan und den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinden in Deutschland, Ignatz Bubis. dpa

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen