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Kinkel in Israel: BRD ist nicht Weimar

■ Gespräche über engere deutsch-israelische Kooperation

Tel Aviv (taz) – Bundesaußenminister Klaus Kinkel beendet heute seinen zweitägigen Besuch in Israel. Nach einem Gespräch mit seinem israelischen Amtskollegen Schimon Peres hob der Minister gestern gegenüber der Presse hervor, daß die überwältigende Mehrheit der Deutschen Fremdenhaß und Antisemitismus ablehne und über die jüngsten „Ausschreitungen“ beschämt sei. Dies hätten sie auch durch massenhafte Beteiligung an den Demonstrationen in Berlin und Bonn gezeigt. Die Regierung versuche dem Problem im Rahmen bestehender Gesetze beizukommen. Die Verabschiedung schärferer Gesetze in diesem Zusammenhang lehne er jedoch ab.

Ein hoher Beamter in Kinkels Gefolge sagte, der Außenminister wolle in Israel vor allem klarmachen, „daß die BRD nicht Weimar ist“. Der Knessetvorsitzende Schewach Weiss erklärte gestern, er habe im Gespräch mit Kinkel den deutschen Bundestag aufgefordert, Notstandsgesetze zu verabschieden. Nur unter dieser Voraussetzung könne die deutsche Polizei wirksam gegen Neonazis und Rassisten vorgehen.

In Kinkels Gesprächen mit führenden israelischen Politikern ging es vor allem um Israels Beziehung zur EG und um die bilateralen deutsch-israelischen Beziehungen. Unter anderem verlangt Israel die schärfere Bekämpfung des arabischen, antiisraelischen Wirtschaftsboykotts. Ministerpräsident Rabin und Außenminister Peres versuchen, die BRD für die Teilnahme an zukünftigen großen Wirtschaftsprojekten im Nahen Osten zu gewinnen, die zum Teil auch in den multilateralen Nahostverhandlungen zur Debatte stehen. Unter Verweis auf die Budgetbelastung durch die Kosten der deutsch-deutschen Vereinigung dämpfte Kinkel israelische Hoffnungen auf größere Finanzhilfe bei der Integration sowjetischer Einwanderer.

Israel wollte auch die Frage der deutschen Wiedergutmachung für Nazi-Opfer erneut aufrollen, die ihr Eigentum in Ostdeutschland verloren haben. Heute sollen Kultur- und Handelsabkommen unterzeichnet werden. Das Besuchsprogramm sah neben Treffen mit dem Jerusalemer Bürgermeister Teddy Kollek und Oppositionsführer Jizchak Schamir auch ein Gespräch mit einer Palästinenserdelegation in Ostjerusalem vor, das jedoch kurzfristig von einem Delegationssprecher abgesagt wurde. Begründet wurde die Absage mit Kinkels Weigerung, während seines anschließenden Besuchs in Tunis mit Vertretern der PLO zusammenzutreffen. „Wir wollen nicht den Anschein erwecken, daß wir eine Alternative zur PLO sind“, erklärte Delegationsmitglied Ziad Abu Ziad gegenüber AFP. Amos Wollin

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