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Es brodelt heftig an der Freien Universität

■ Heute findet an der Freien Universität der Hochschultag statt/ Vor vier Jahren begann der letzte Hochschulstreik/ FU vor allem von Kürzungen betroffen

Berlin. „Die Leute sind zum Teil sehr wütend“, beschreibt man im Allgemeinen Studentenausschuß (Asta) der Freien Universität die Stimmung vor dem heutigen Hochschultag. Ihre partielle Wut werden sich die über 60.000 Studierenden, wenn sie denn kommen, für den späten Nachmittag, 17 Uhr, aufheben. Da hat sich Wissenschaftssenator Manfred Erhardt angesagt. In einer Podiumsdiskussion unter dem Thema „Klasse trotz Masse?!“ will er im AudiMax sein Hochschul-(Spar-)Konzept gegen Mitdiskutanten und Studierende verteidigen. Vormittags finden in den Fachbereichen eigene Veranstaltungen statt.

Gestern stellte Erhardt voller Stolz dar, daß sein Etat der drittgrößte Einzelhaushalt unter den Senatsverwaltungen ist. 3,882 Milliarden Mark beträgt er 1993 und hat einen Anteil von 9,1 Prozent am Gesamthaushalt. Bezeichnenderweise taucht in Erhardts dreiseitiger Presseerklärung zum Haushalt die Freie Universität, immerhin die größte in der Republik, gar nicht auf. Nicht einmal bei den Kürzungen in Höhe von 90 Millionen Mark, die Freie Universität, Technische Universität und Hochschulmedizin fast alleine tragen, nennt Erhardt sie namentlich.

Der Akademische Senat der FU hat vergangene Woche den ihr verordneten Haushalt abgelehnt. Das spielt letztlich keine Rolle, weil das Kuratorium der Universität das entscheidende Haushaltsvotum fällt. Aber es gibt der Sache einen eigenen Beigeschmack, daß ein Akademischer Senat so votiert, der noch vor kurzem seine Bereitschaft für Kürzungen erklärte und dabei ein heißes Eisen anfaßte: eine Reform der Universitätsstruktur. Ein solcher Versuch endete an der FU vor fast genau vier Jahren darin, daß die StudentInnen, von ihrem gesammelten UniMut getrieben, wochenlang streikten. Es gebe einige „erstaunliche Parallelen“ zu damals, urteilte gestern der FU-Sprecher Christian Walther. Am 4. Dezember 1988, zur 40-Jahr-Feier der FU, war der Streik ausgebrochen.

Den StudentInnen dürften die Zahlenspielereien und der von den Teilnehmern vielbeschworene 88er-Streik egal sein. Sie leiden schon viel länger unter katastrophalen Studienbedingungen. Gegen die nun praktizierte Sparpolitik des Wissenschaftssenators regt sich bei ihnen allerdings Widerstand.

Die LehramtsstudentInnen etwa haben außer den üblichen „scharfen Protesten“ eine erste kleine Demo zustande gebracht. Letzte Woche gab es eine Vollversammlung an der FU, an der über 1.000 Studierende teilnahmen. Wichtiger sei aber, so unkte es aus dem Asta, daß sich über ein Dutzend Fachbereiche bereits den Kopf über die Folgen der 30prozentigen Kürzung der Studienplätze zerbrochen hätten.

Übrigens wird die Festrednerin von 1988, die Politikprofessorin Gesine Schwan, heute wieder auf dem Podium sitzen – als Moderatorin – vielleicht gibt sie den Zündeffekt. Christian Füller

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