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Der große Reibach

■ Filmförderung nach Gutsherrenart: Der Wirtschaftskrimi „Der große Bellheim“

Hannover. Der niedersächsische Landesvater Schröder will sich von dem Vorwurf reinwaschen, er gehöre „zu den Billigmachern unter den deutschen Poltikern, die für jeden Fernsehgag zu haben sind“. Diese Bemerkung stammt von Schröders SPD-Genossen Helmut Schmidt, der seine Bemerkung u.a. auf Schröders Auftritt in dem ZDF-Vierteiler „Der große Bellheim“ stützt. Gerhard Schröder wird es nicht gelingen, den Vorwurf in diesem Fall von sich zu weisen, denn hinter der Angelegenheit steckt eine Verschwendung von Fördermitteln in Höhe von einer Million Mark.

Obwohl die rund 18 Millionen Mark teure Fernsehserie eine reine Auftragsproduktion des ZDF ist, hat die frühere niedersächsische Landesregierung – vorbei an der dafür zuständigen Filmkommission – die Förderung dieser Fernsehproduktion empfohlen. Dabei, so Schröder, sei die Vergabe von Mitteln mit der Bedingung verknüpft worden, daß der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht in der Fernsehserie mitspielen werde. Diese Bedingung stellt wohl eine Einmischung in die künstlerische Freiheit dar, wenn sie nicht sogar als ein erpresserischer Akt gewertet werden darf.

Bedenklich ist die Förderung der ZDF-Serie allemal. Steht doch in der „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur wirtschaftlichen und kulturellen Filmförderung im Land Niedersachsen“ geschrieben: „...Ziel der Filmförderung ist die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Filmwirtschaft in Niedersachsen, ...die Förderung des Nachwuchses...“. Davon kann bei der Produktion „Der große Bellheim“ jedoch nicht die Rede gewesen sein. Die Stabliste der Produktion vom 26.3.1991 weist in keiner halbwegs wichtigen Position niedersächsische Filmschaffende aus; lediglich die Fahrer und eine Sekretärin kamen aus Hannover bzw. Seelze. Die übrigen wurden aus Berlin, Hamburg, München eingeflogen. Auch die über 150 Rollen wurden nur mit einigen wenigen in Niedersachsen lebenden Schauspielern besetzt. Von Förderung der heimischen Filmszene, wie es die Richtlinie vorschreibt, kann also kaum gesprochen werden, geschweige denn von Nachwuchsförderung. Nicht einmal Praktikantenstellen für den niedersächsischen Filmnachwuchs gab es.

Die Förderbestimmungen schreiben vor, daß die niedersächsischen Fördermittel nur zur Teilfinanzierung der in Niedersachsen anfallenden Ausgaben verwendet werden dürfen. Wenn aber weder filmtechnische Geräte noch Stabmitglieder aus Niedersachsen kamen, müssen bei den Teildreharbeiten in Hannover (weitere Drehorte: Frankfurt, Bochum, Zürich) bestenfalls Hotels, Restaurants, Taxibetriebe und Tankstellen vom Förderrubel profitiert haben.

Außerdem heißt es in der oben genannten Richtlinie unter Paragraph3 , daß „...öffentlich-rechtliche oder private Rundfunkanstalten...nicht antragsberechtigt sind“. So haben die Veranwortlichen des ZDF die AKTIVE Film GmbH NORD als Auftragnehmer der Fernsehserie dazwischengeschaltet und schon war ihnen die Million gesichert.

Unverständlich bleibt, warum die Mainzelmännchen diese Produktion nicht komplett aus eigener Tasche finanziert haben. Ob der ZDF-Redakteur Siegfried Braun in seiner Anstalt nicht genügend Geld auftreiben konnte oder ob die Verantwortlichen des ZDF nicht an den Erfolg der Sendung geglaubt haben und das Risiko so auf das Land Niedersachsen verteilen wollten?

Verletzt wurde bei der Förderung des Fernseh-Vierteilers auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Keiner anderen Film- oder Videoproduktion wurde bisher vom Land Niedersachsen eine Produktionsförderung in vergleichbarer Höhe gewährt. Während „Der große Bellheim“ eine Million Mark absahnte, wurden niedersächsische Filmschaffende mit Drehbuchförderung zwischen 14.000 und 15.000 Mark abgespeist.

Landesvater Schröder, von Beruf Rechtsanwalt, sollte die Bedenken gegen die Förderung des „Großen Bellheims“ gekannt haben, bevor er von seinem Vorgänger die Serienrolle übernahm. Statt sich öffentlich von dieser Art der indirekten Subventionen einer öffentlich-rechtlichen Anstalt durch öffentliche Fördermittel zu distanzieren und die für diese Geldverschwendung Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, nützt Schröder den Fernsehauftritt zur Selbstdarstellung und zum parteipolitischen Nutzen. „Es sei unstrittig besser, daß nun ein Sozialdemokrat auf dem Bildschirm erscheine als ein Politiker der christdemokratischen Konkurrenz“, tönte Schröder. Doch da liegt er falsch: Schauspielerisches Talent kann er ebensowenig wie sein Amtsvorgänger vorweisen. Und offensichtlich auch kein Gespür für Feinheiten. So setzte er im Fall Bellheim/ Schröder noch eins oben drauf und gab kürzlich einen Empfang der Landesregierung für die Fernsehmacher von „Der große Bellheim“.

Für Niedersachsens Filmszene sind die Gelder verloren. Die Angelegenheit als Provinzposse abzutun, wäre falsch. Sie ist ein weiteres trauriges Kapitel niedersächsischer Filmpolitik. Diese scheint seit Anfang 1992 in den Dämmerschlaf gefallen zu sein, nachdem 1991 mit den wieder hervorgeholten Plänen für eine Medienakademie in Hannover und der Vorstellung des Intendantenmodells für die niedersächsische Filmförderung in der Filmszene viel Staub aufgewirbelt wurde. Für die bereits Ende 1990 abgelaufene Filmförderrichtlinie hat die rot-grüne Landesregierung bis heute keinen eigenen Entwurf vorgelegt und zur Diskussion gestellt. So wird weiterhin nach einer wirtschaftlich orientierten Richtlinie beantragt, bewilligt und abgerechnet, obwohl nach dem erklärten politischen Willen die niedersächsische Filmförderung als eine kulturelle Förderung zu verstehen ist. Michael Küspert

Das ZDF zeigt den dritten Teil des „Großen Bellheims“ heute um 19.25 Uhr, der vierte und letzte Teil wird am Mittwoch, dem 6.1., 19.25 Uhr versendet.

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