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Bremen: Kein Ort für Frauen

■ Frauenzeitschrift vergleicht Kriminalstatistiken deutscher Großstädte: Bremen ist Spitzenreiter

Bremerinnen leben gefährlich, enthüllt eine Statistik der freundin: Im Vergleich mit zehn anderen deutschen Großstädten sind in Bremen im Jahr 1991 die meisten Frauen überfallen worden, hat die Münchner Frauenzeitschrift herausgefunden. Mit 273 Gewalttaten gegen Frauen je 100.000 Einwohner liegt Bremen in diesem Städtevergleich weit vor Frankfurt (224), Hamburg (195) und Berlin (172). Als sicherste Stadt nennt die Frauenzeitschrift die Ruhrmetropole Essen mit 78 Überfällen.

Foto: Katja Heddinga

Merve Pagenhardt, der Pressesperecherin des Innensenators geben diese Zahlen Rätsel auf: Die „Basis“ der Statistik sei „nicht eindeutig“, moniert sie. Die Kategorie „Überfall“ sei bei der Polizei unbekannt. Die teilt die angezeigten Delikte anders ein: „Gegen das Leben“, „gegen die sexuelle Selbstbestimmung“, Raub ... 407 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen hat der statistikführende Herr Zeller beim Senator für Inneres für das Jahr 1991 registriert, darunter 156 Vergewalti

Frauenschuh

gungen. Die freundin-Statistik hat offensichtlich mehr erfaßt: Von Mord und Vergewaltigung bis zu Handtaschenraub und sexueller Nötigung gehen die in der Zeitschrift beschriebenen Fälle. Wenn Arnold Zeller die Verbrechen mitzählt, kann er die freundin-Statistik für Bremen leicht nach unten korrigieren: 260 weibliche Opfer auf 100.000 Bremer zählt der Statistiker — die Spitzenreiterposition Bremens bleibt damit erhalten.

Und „Spitzenreiter ist Bremen zusammen mit Hamburg,

Frankfurt und Berlin in den meisten Delikten“, räumt Pressesprecherin Merve Pagenhardt ein. Denn Bremen sei Drogenstadt, Ballungszentrum und Hafenstadt. Daß die Gewalt in der ganzen Republik zunehme, sei nicht zu bestreiten, doch „den Vergleich halte ich für falsch“.

Bleiben die großen Differenzen zwischen Bremen und Essen. „Fern jeder Lebenserfahrung“ erscheinen sie der Frauenbeauftragten Ursula Kerstein. Ihre Erklärung: „Die Anzeigenhäufigkeit ist natürlich seit der Schaffung des Sonderdezernats für sexuelle Gewalt bei der Bremer Staatsanwaltschaft gestiegen.“ 1991, in dem Jahr, das die Statistik erfaßt, wurde das Dezernat ausgeweitet auf Körperdelikte in Beziehungen. Insofern seien viele Anzeigen auch ein gutes Zeichen, findet auch Staatswanwältin Claudia Traub: „Wenn Frauen anzeigen, heißt das, daß sie sich wehren.“

Entlarvt die Statistik womöglich Mängel in der Prävention von Gewaltdelikten? „In Sachen Prävention ist Bremen ziemlich beispielhaft“, findet die Sprecherin des Innensenators. Claudia Traub hingegen kann sich „noch viel mehr Prävention vorstellen“ — zum Beispiel bei den Drogenprostituierten.

Bei der Grünen Maria Spieker, die für heute und morgen zu einer Telefonaktion „Mobilität und Sicherheit von Frauen im Straßenverkehr“ aufgerufen hat, liefen gestern schon die Telefone heiß. „Man kann Bremen nicht zu Klein-New-York“ machen, wiegelt die Abgeordnete ab. Dennoch denkt sie, „daß in Bremen noch genug zu tun ist“. Zum Beispiel, was die Sicherheit von Frauen an Haltestellen angehe. Welche Orte für Frauen besonders unsicher sind, möchte die Grüne mit ihrer Aktion herausfinden. Es gebe zahlreiche Orte, an denen oft Überfälle stattfänden: in Parks, den Wallanlagen und an Haltestellen auf dem freien Feld. Diemut Roether

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