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Verbannte lehnen „Kompromiß“ ab

■ Israelische Regierung wähnt sich vor neuen UN-Sanktionen wegen Palästinenser sicher

Berlin (taz) – „Wir werden den Sicherheitsrat ersuchen, unsere Tragödie und unser Leiden hier zu beenden.“ Mit diesem Satz kommentierte der Sprecher der palästinensischen Verbannten im Südlibanon, Abdel Aziz Rantisi, den gestern verkündeten israelisch-amerikanischen „Kompromiß“ im Streit um die Massendeportation im Dezember. Er gab damit zugleich der Hoffnung Ausdruck, der UN-Sicherheitsrat werde sich auf seiner heutigen Sitzung dennoch zu einer schärferen Verurteilung Israels entschließen, um die vor sechs Wochen beschlossene UN-Resolution 799 über die sofortige Rückkehr der rund vierhundert deportierten Palästinenser nach Israel und in die besetzten Gebiete doch noch durchzusetzen.

Die Deportierten, die nun schon seit sieben Wochen in einem provisorischen Zeltlager ausharren müssen, sind nach den Worten ihres Sprechers entschlossen, sich nicht auseinanderbringen zu lassen. Sie würden im Südlibanon bleiben, wenn nicht allen bedingungslos die Rückkehr erlaubt werde. „Solange auch nur ein einziges Zelt steht, wird es keine Lösung geben“, erklärte Rantisi die Position seiner Leidensgenossen, die gestern morgen von ihrem schneebedeckten Zeltlager aus eine Demonstration organisierten. „Nein zu diesem Handel, nein zur Rückkehr der hundert, nein zu einem Ersatz der Resolution 799!“ skandierten sie.

Doch obwohl die arabischen Regierungen und die Vertreter der Palästinenser die amerikanisch-israelische Absprache als unzureichend ablehnten und zahlreiche islamische Staaten im UN-Sicherheitsrat Unterstützung für einen Sanktionsbeschluß gegen Israel suchen, scheinen die Deportierten im Moment auf verlorenem Posten zu stehen. Nach Meinung von US- Außenminister Warren Christopher, der bei den Verhandlungen mit der israelischen Regierung federführend war, soll der Sicherheitsrat keine weiteren Maßnahmen für die Rückführung der Palästinenser ergreifen. „Weitere Aktionen des Rates wären unnötig und würden den in Gang gekommenen Prozeß nur unterminieren“, erklärte Christopher nach einem Gespräch mit UN-Generalsekretär Butros Ghali. Der US-Außenminister wollte sich jedoch nicht dazu äußern, ob die USA für den unwahrscheinlichen Fall, daß im Sicherheitsrat eine erneute scharfe Resolution gegen Israel zur Abstimmung stehen sollte, Rabin ein Veto versprochen haben.

Die israelische Regierung gab sich nach dem Abschluß der Gespräche mit den USA selbstsicher. Ministerpräsident Jitzhak Rabin teilte mit, US-Präsident Clinton habe sich verpflichtet, internationale Sanktionen gegen sein Land zu verhindern. Mit dem Kompromiß, rund hundert Deportierte sofort zurückkehren zu lassen und die Verbannungszeit für alle übrigen auf ein Jahr zu begrenzen, sei die israelische Regierung „nicht mehr isoliert“, erklärte Außenminister Schimon Peres. Die EG-Außenminister hätten ihm ihre Zustimmung zu dem Kompromiß signalisiert und erklärt, daß sie die Wirtschaftsbeziehungen zu Israel nicht wie ursprünglich vorgesehen einschränken würden. Wenn die Deportierten dieses Angebot nicht annehmen wollten, so sei das einzig und allein ihr eigener Beschluß. Auf die Frage, ob Israel zu weiteren Zugeständnissen bereit sei, erklärte er: „Ich denke, das wird nicht notwendig sein. Wir müssen Geduld haben und auf eine durchdachte Reaktion der Palästinenser warten.“ Seiten 8 und 10

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