: Warten auf den Kuß
■ Steuerhinterziehung: Gericht senkt Strafmaß für Drafi Deutscher
: Gericht senkt Strafmaß für Drafi Deutscher
„Drafi Deutscher verfügt über geniale Fähigkeiten, ob man sie mag, sei mal dahingestellt. Aber solche Künstler haben nun mal in anderen Bereichen Defizite — Drafi Deutscher ist ein extremer Chaot.“ Als Verteidiger Gerd Benoit gestern seinen Mandanten verständnisheischend vor dem Landgericht charakterisierte, mußte sogar Drafis langmähnige neue Flamme im Zuhörersaal kräftig kichern. Der Schlagerstar, dem man nachsagt, er habe auf dem belebten Berliner Kudamm gegen den Hinterreifen seines Rolls Royce gepinkelt, stand gestern abermals wegen Steuerhinterziehung vor Gericht.
Der Popstar hatte zwischen 1979 bis 1982 einfach seine Einkommenssteuererklärungen nicht gemacht — zutiefst haßt er den behördlichen Papierkrieg. Auch sein Steuerberater warf in jener Zeit das Handtuch, weil es schier unmöglich war, von dem Komponisten und Produzenten die notwendigen Belege zu bekommen. Irgendwann wurde es auch dem Fiskus zu bunt, der sich lange Zeit die Zähne an dem „Marmor Stein und Eisen bricht“-Sänger ausgebissen hatte. Ein Zwangsverfahren wurde eingeleitet, um die rund 500000 Mark Steuerschulden einzutreiben.
Aus Gründen der Schadensbegrenzung sandte „Chaot Deutscher“ dem Finanzamt dann alle Belege zu, die er finden konnte, was ihm prompt ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung einbrachte. Obwohl Drafi Deutscher 1989 bereits sämtliche Steuerschulden aus einem 3,5 Millionen-Mark-Vorschuß der GEMA beglichen hatte, verknackte ihn das Amtsgericht zu 18 Monaten Knast und 120000 Mark Strafe. Das Landgericht reduzierte die Strafe 1991 zwar auf 10 Monate und eine Geldbuße von zwei Mal 60000 Mark. Doch dem seit 18 Monaten hitlosen Popstar war auch dies zuviel. Er legte erfolgreich Revision ein, gestern legte die Große Strafkammer 10 das neue Strafmaß fest: Fünf Monate auf Bewährung und 24000 Mark Buße zur Tilgung der Steuerschulden. Drafi Deutscher hofft nun, daß ihn bald „die Muse küßt“ und er wieder einen Hammer-Hit landet, um seine 411000 Mark Versäumniszuschläge und die jüngsten 283000 Mark Steuerschulden begleichen zu können. Kai von Appen
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