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Schoppe gewinnt gegen Teilzeit-Arbeit

■ Ex-Pressesprecherin U. Petzold verlor Rechtsstreit gegen Frauenministerin: Presse-Arbeit verlangt volle kinderlose Arbeitskraft

„Die Pressestelle muß laufen, sonst können wir das Ministerium dichtmachen“, erklärte der Ministerialrat Thiele vom niedersächsischen Frauenministerium gestern vor dem Arbeitsgericht. Und „laufen“ heißt: Die Pressesprecherin muß verfügbar sein, auch kurzfristig, auch abends, am Wochenende. Der Job verlangt den ganzen Mann — nichts für eine Mutter, die gern nur teilzeitarbeiten würde.

Frauenministerin Waltraud Schoppe wettert gern gegen derartiges männliches Arbeitsethos: „Ein Umdenken muß stattfinden bei Vätern und bei Arbeitgebern“, hat sie einmal zum Thema weibliche Teilzeitarbeit erklärt.

Genüßlich hat die ehemalige Schoppe-Pressesprechin, die Bremer Journalistin Ulrike Petzold, das Zitat herausgekramt, sie selbst hatte derartige Reden für ihre Chefin formuliert — sie stand gestern in eben dieser Sache vor dem Hannoveraner Arbeitsgericht gegen ihre Dienstvorgesetzte. (vgl. taz 6.1.93) Die Pressesprecherin war kurz nach dem Beginn ihrer Tätigkeit schwanger geworden und hatte ein Jahr Erziehungsurlaub genommen — in der festen Erwartung, daß sie dann in einem Teilzeit-Arbeitsverhältnis auf ihre alte Stelle zurückkehren könne. Das war auch vorher eine Überlegung zwischen Miniterin und Pressesprecherin gewesen. Nachher sah das die Frauenministerin aber anders: Teilzeit-Pressearbeit schwäche das frauenpolitische Engagement des Ministeriums, argumentierte Waltraud Schoppe, in der Pressestelle seien volle Arbeitskraft und Bereitschaft zu Überstunden erforderlich.

Das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Ministerin und Pressesprecherin scheint zudem gestört — Walraud Schoppe ist mit der vertretungsweise eingestellten neuen Pressesprecherin so zufrieden, daß sie für sie beim Finanzminister Niedersachsens eine feste BAT Ia-Stelle besorgte. Der alten Pressesprecherin wurde, nachdem ihr Teilzeit-Antrag genehmigt war, mitgeteilt, daß für sie nun eine Verwendung als Referatsleiterin vorgesehen sei - diese Stelle war bis dahin unbesetzt geblieben. Böse Zungen sagen, hinter dem Konflikt stehe sogar mehr die Staatssekretärin als die Ministerin selbst — die neue Pressesprecherin ist Mitglied der Grünen und insofern vieleicht im Hinblick auf den 1994 anstehenden Wahlkampf für die Partei dienlicher. Im Ministerium wird diese Lesart bestritten.

„Es muß irgendwo anderes im Hintergrund geben“, mutmaßte aber auch die Arbeitsichterin Heidrun Becker-Wewstedt, die den frauenpolitischen Fall richten sollte. Sie appellierte an „gemeinsame Ziele“ und philosophierte: „Der Weg ist bei Ihnen das Ziel und das heißt auch: das Miteinander-Umgehen.“

Aber in der Sache gab es keinen Kompromiß, auch in der Abfindungsforderung der Pressesprecherin (ein Jahresgehal nach sieben Monaten tatsächlicher Arbeit) erkannte der Jurist der Frauenministerin keine Gesprächsgrundlage.

Die „enttäuschten Erwartungen“ der früheren Pressesprecherin verstehe sie gut, gerade auch im Hinblick auf die vollmundigen Erklärungen der Ministerin, versicherte die Arbeitsrichterin, die Frage der arbeitsrechtlichen Relevanz sei allerdings eine andere.

Denn die guten frauenpolitischen Absichten der Grünen haben längst noch nicht Eingang ins Arbeitsrecht gefunden: Im Arbeitsvertrag der früheren Pressesprecherin steht nur die Einstufung, nicht Pressearbeit als konkrete Tätigkeit. Hinreichende Gründe, um einen Einschränkung des „Dispositionsrechtes“ der Dienstherrin anzunehmen, gebe der Fall nicht her, urteilte die Richterin.

Eine hohe „politische“ Abfindungssumme, die den Streit zu beiderseitiger Zufriedenheit hätte lösen können, hatte der Rechtsvertreter des Frauenministeriums mit Hinweis auf die Finanzlage des Landes abgelehnt: Sowas sei heute noch weniger drin als das bei den ersten Abfindungs-Verhandlungen im Juli 1992. So wird frau sich möglicherweise in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht wiedersehen. K.W.

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