: Zwischen Peinlichkeit und Kunst
■ Die fünfte Etappe der „Feldforschung: Hausfrauenkunst“ im Schlachthof
Seit gestern ist die neueste Etappe der künstlerischen Reise durch die Untiefen des Hausfrauenalltags zu sehen. In der 5. Ausstellung des insgesamt 9-teiligen Zyklus „Feldforschung: Hausfrauenkunst“ stellen die Bremer Künstlerinnen Marion Bös, Dagmar Hess, Ulrike Reiners und Michaele Steeger aus.
Die Ausstellungskonzeption, deren Fäden in der Hand von Dodo Richter-Glück zusammenlaufen, ist für ihren erbarmungslosen Blick auf Peinlichkeiten entlang der Tabugrenze bekannt. Auch gestern erfüllten sich die Erwartung auf ekelige Heimlichkeiten und Privates.
Die Blicke der vier Feldforscherinnen-Künstlerinnen sind mäandert. Herausgekommen ist ein ganzes Spektrum alltäglicher Geheimgehaltungsbereiche — Pein
die Grafik
auf schwarzem Grund
lichkeiten solange sie „hausfraulich“ unbearbeitet, sprich ungereinigt zu betrachten sind: abgerissene Beinhaare, verdreckte Tischdecken, Hausaltäre, Einkaufszettel und Schweine. Zerlegt und am Stück. Roh und gebraten.
Die Präsentation am Eröffnungstag war gelungen: „Au, au, zieh den Stecker raus“, wimmerte eine leise Stimme von Der Plan im Hintergrund — wunderbar passend zur Bügeleiseninstallation von Dagmar Hess. Angekokelt, abgenutzt, verschrammt und stumpf vom jahrelangen Gebrauch der Mutter auf dem Leintuch. Nur so kann der Kurzschluß vermieden werden: „Zieh den Stecker 'raus!“ Hausfrauenleben am Abgrund. Was Hausfrauen leisten: Eingebrannt, das muß ausgebügelt werden — hier wird's sichtbar.
Und dann die Altäre. Privatissimae: Wer gibt sie schon gerne zu, geschweige denn öffentlich preis? Marion Bösen und Michaele Steeger genierten sich nicht:
die weiße
grafik
Der kleine, kerzenbeleuchtete, ist ihrer. Im Eingangsbereich, dem typischen Garderobenplatz für lauschige Gefühle, hat er seinen Ausstellungsstandort gefunden. Ein bißchen miefig — aber herrlich privat, das rührt ans Herz und am Tratsch-Nerv (Sowas hätte ich von DENEN nicht gedacht!). Kerzenschimmer über Jungfrauenbildern, einer Miß Piggy-Postkarte und der rote Rose: was die Frauenseele für heilig hält, fügt sie unbeschwert nebeneinander. „Daily Horror“, titelte Martina Lohmüller treffend in der Eröffnungsrede.
AusstellungsbesucherInnen können dieses Mal einen besonderen „Katalog“ erwerben. Aber halt — so war das nicht gemeint,AUSSTELLUNGSKATALOG. Vielmehr so: Die Künstlerzeitung „Pictor“ hat ihre 6. Ausgabe der Ausstellung gewidmet. Und die Künstlerinnen der „Zeitung“ ihre Werke. 32 großformatige Seiten sind in einer 100er Auflage erschienen: Arbeiten, die die Ausstellung in anderer, eigenständiger Form präsentieren. „Kunst, die nicht an der Wand hängen soll!“, wie die Pictor-Herausgeber Udo Reichwald und Jan Carstensen betonen. Eva Rhode
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen