■ Die baskische ETA weigert sich, aufzugeben: Letzte Zuckungen eines Dinosauriers
Töten kann sie noch. Und doch wirkt die ETA zunehmend wie ein todgeweihter Drache, der in letzten Zuckungen um sich schlägt. Nicht nur wegen der wachsenden polizeilichen Verfolgung, der sie sich seit einem Jahr ausgesetzt sieht und die sie einen Großteil ihrer Mitglieder und ihrer Infrastruktur kostete. Es ist auch die Unfähigkeit des Dinosauriers, die veränderte politische Situation zu erkennen und sich dementsprechend zu verhalten.
Fehler hat die Organisation schon immer gemacht. Nach dem Mord an ihrer ehemaligen Führungsfigur Yoyes, spätestens nach dem Anschlag auf das Kaufhaus Hypercor, der 21 Unbeteiligte das Leben kostete, konnte die ETA nicht mehr als Robin Hood, als Rächer der Unschuldigen auftreten. Doch ihr größter Fehler besteht vermutlich darin, nicht verstanden zu haben, daß die Zeit vorbei ist, in der man in Spanien Politik durch Attentate machen konnte. Selbst im Baskenland hat die Unterstützung für eine Strategie der Konfrontation abgenommen. Die meisten Basken rechnen sich inzwischen mehr Chancen auf Autonomie durch ein geeintes Europa aus denn durch Bomben.
Deutlich zutage trat diese falsche Selbsteinschätzung bei den Gesprächen mit Vertretern der Zentralregierung in Algerien 1989, der historischen Chance der Organisation, einen ehrenhaften Ausweg aus dem bewaffneten Kampf zu finden. Eine starke regierende Sozialistische Partei konnte sich damals Verhandlungen leisten – doch die ETA pokerte zu hoch, die Gespräche wurden abgebrochen. Die damals ausgeschalteten übrigen Parteien stehen seither auf Beobachtungsposten und wachen darüber, daß die ETA nicht „im Namen des baskischen Volkes“ verhandelt. Im Schlüsseljahr 1992, als die Regierung Anschläge auf Expo und Olympiade befürchten mußte, griff sie – äußerst erfolgreich – ins Repressionsarsenal. Dieses Jahr ist Wahljahr, und die ohnehin schwer angekratzten Sozialisten werden sich hüten, politisch riskante Manöver mit der ETA einzugehen.
Zur finanziellen und personellen Schwächung der ETA gesellt sich die ideologische: Immer mehr Mitglieder und Sympathisanten zweifeln inzwischen laut an der Sinnhaftigkeit einer Fortsetzung des bewaffneten Kampfes. Eine logische Reaktion darauf wäre, für die Aufgabe dessen mit der Regierung vorteilhafte Bedingungen für die Gefangenen herauszuschlagen und sich einen Platz in der Zivilgesellschaft zu suchen. Doch die ETA setzt auf Druck, um die Schäfchen beisammen zu halten. Wozu, das hat sie vermutlich inzwischen schon selbst vergessen. Antje Bauer, Madrid
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