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Stadträtin unter Beschuß

■ Staatsanwalt ermittelt gegen Betreuer in Jugendpsychiatrie Wiesengrund / Des sexuellen Mißbrauchs von Kids verdächtigt

Reinickendorf. Die Reinickendorfer AL hat gestern schwere Vorwürfe gegen die CDU-Gesundheitsstadträtin des Bezirkes, Marlies Wanjura, und die Leitung der jugendpsychiatrischen Klinik Wiesengrund erhoben. Der Hintergrund sind Strafermittlungen gegen einen im Wiesengrund beschäftigten Betreuer wegen Verdachts des sexuellen Mißbrauchs von Jugendlichen.

Die Gesundheitsstadträtin sei über die konkreten Vorwürfe gegen den Betreuer bereits seit Mitte November 1992 informiert gewesen, sagte gestern der Reinickendorfer AL-Fraktionsvorsitzende Oliver Schruoffeneger. Anstatt sofort die Kripo zu benachrichtigen, habe Wanjura die belastenden Unterlagen jedoch der Klinikleitung übergeben. Jene habe versucht, den Fall zu vertuschen. Wanjura und die Klinik wiesen die Vorwürfe gestern zurück. Marlies Wanjura ist seit den letzten BVV- Wahlen ein Begriff: Die CDU-Politikerin bemühte sich vergeblich, Bezirksbürgermeisterin zu werden, und soll über ihre Inthronisation mit den „Republikanern“ verhandelt haben. Im Wiesengrund leben derzeit rund 90 Kinder und Jugendliche. Die Einrichtung ist der AL schon lange ein Dorn im Auge: Wegen angeblicher gewaltsamer Erziehungsmethoden und Ruhigstellung der Patienten durch Medikamenteneinsatz. Wie der AL-Fraktionsvorsitzende Schruoffeneger gestern berichtete, soll einer der Betreuer der Station II sieben Jugendliche, Mädchen und Jungen, in der Zeit zwischen 1991 und 92 sexuell genötigt haben.

Justizsprecher Rautenberg bestätigte gegenüber der taz, daß die Staatsanwaltschaft in der Sache ermittelt. Laut Schruoffeneger kam der Fall im vergangenen November durch eine von den Kids ins Vertrauen gezogene Krankenschwester ins Rollen. Jene hätte die Gesundheitsstadträtin informiert und ihr die schriftlichen Beschuldigungen der Jugendlichen überreicht. Statt die Kripo einzuschalten, habe Wanjura die Papiere der Klinikleitung übergeben. Die Folge: Der Beschuldigte und die Zeugen hätten ihre Aussagen „aufeinander abgestimmt“. Die Jugendlichen seien „massiv unter Druck“ gesetzt, die Krankenschwester vom Dienst suspendiert worden, während der beschuldigte Betreuer heute noch auf der Station tätig sei. Erst durch eine Strafanzeige des Krankenpflegeleiters sei die Kripo informiert worden.

Wanjura bezeichnete dies als „Lügen“ und eine „persönliche Diffamierungskampagne“ von Schruoffeneger. Sie habe der Klinikleitung die Unterlagen übergeben, weil diese „Herr des Verfahrens“ sei. Die Klinikleitung habe sofort die Kripo eingeschaltet, von Absprachen könne keine Rede sein. plu

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