Sanssouci: Nachschlag
■ Gespräche zur Kunst (im Amerika Haus), Teil II
Die Sache war ganz gut in Gang gekommen, als Wulf Herzogenrath die Frage stellte – oder sollte man sagen: unterlief? –, warum denn die Künstler (auf dem Podium) nach Berlin gekommen waren, jüngst oder einst. Da gab es dann zu hören, daß der kleine Gero Gries im zarten Alter von zwölf Jahren für einige Jahre in diese Stadt gezogen war, zu der es ihn nach einer Zeit der Abwesenheit zurückzog; Frank Badur, laut treffender Selbstauskunft „kein Landschaftsmaler“, fühlt sich vom Stadtbild oder vielleicht auch vom Bild der Stadt angezogen; und Christina Kubisch, immerhin Gastprofessorin für Bildhauerei an der HdK, wohnt wegen ihrer „Freunde“ hier. Unbefangene Schwärmereien, fürs Touristen-Video bestens geeignet.
Dennoch war das Podiumsgespräch, das zweite in der von Wulf Herzogenrath und Thomas Wulffen moderierten Reihe, mehr als eine „Kappensitzung“, wie ein Zwischenrufer bemerkte, und selbst der Vorschlag, massenhaft in den Förderkreis der Deutschen Oper einzutreten, um die Interessenlage bildender Künstler zu artikulieren, ist gar nicht so absurd, wie er zunächst klang. Der Senat scheint die Reform der Institutionen nicht mit derselben Entschlossenheit anzugehen wie bei den anderen Sparten. Immerhin offenbarte Christiane Zieseke, Planungsreferentin beim Kultursenator, daß der Senat erfolglos versucht habe, ein Gutachten zur Situation der bildenden Kunst in Auftrag zu geben. Nur daß dem versammelten Kunstkorpus spontan mehrere kompetente Ansprechpartner einfielen, die man – wie Zieseke durchblicken ließ – nicht gefragt hatte.
Was allein die Existenz des neuen Forums im Amerika Haus bedeutet, wurde klar, als Dieter Ruckhaberle, dessen Kunsthalle an der Budapester Straße zur Zeit abgewickelt wird, eine eifernde Rede schwang für vergangene „Freiheiten“, für eine „offene Struktur“, und – gewissermaßen brechtisch – dafür, daß der Künstler vor allem „etwas zu fressen“ brauche. Da sah man sehr klar, daß in Berlin etwas zu Ende geht: ein Kunstprogramm des guten Gewissens, eine sich sozial gebende Selbstgerechtigkeit; und es entbehrt nicht der List, aufs Podium ausschließlich Leute zu setzen, die in verschiedenen Farben und Überzeugungen für etwas „Neues“ stehen und sich nun prüfen lassen müssen, wie weit das trägt, was sie zu sagen haben. Gelegentlich wirft Herzogenrath, der Kölner Bär, seinen Kopf in den Nacken und lacht, mit weit offenem Mund. Das kommt ganz gut, als Leitmotiv. Ulf Erdmann Ziegler
Nächste Runde: „Galerien in Berlin“, Am 27. April im Amerika Haus, um 19.30 Uhr. Veranstalter: Lessing-Hochschule.
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