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Engholm: Der Wannenkapitän als Mega-Dünnhaut Von Mathias Bröckers

Guck mal Helmut, da sind Pinguine, davon will ich 'nen Pelzmantel! – Ach Unsinn, Hannelore, das sind Pelikane und da werden Füller draus gemacht! Die Zeit der fröhlichen Birnen-Witze, wir geben ein leises Bedauern gerne zu, ist vorbei. Was das „pfälzische Gesamtkunstwerk“ (Joschka Fischer) so treibt, ist, wie die Gesamtlage der Nation, nicht mehr zum Lachen. Kohl ist rhetorisch, choreographisch und überhaupt zum Elder statesmen zu Dienstzeiten gereift und selbst die Neuss'sche Geheim- Methode – „Wir machen keine Witze über Kohl, wir lachen gleich über ihn“ – will nicht mehr zünden: es ist nur noch zum Heulen. Und doch, wie dieser Prachtkanzler an Häme und Hohn gereift ist und jeden Spott souverän ausgesessen hat, das nötigt Respekt ab. Zumal, wenn wir den akuten Fall von Witz-Immunschwäche betrachten, von der sein Konkurrent Engholm jetzt heimgesucht wurde: ein Quietschentchen (gelb), eine Badewanne (weiß), darin ein quicklebendiger Björn (verschmitzt grinsend) sowie die Überschrift „Sehr komisch, Herr Engholm!“ haben das Humor-Abwehrsystem des SPD-Chefs vollständig zum Erliegen gebracht. Dem Magazin Titanic, das diese Montage auf dem Titel seiner Aprilausgabe präsentiert, hat Engholm gestern per einstweiliger Verfügung den weiteren Vertrieb untersagen sagen lassen. Die Kombination, so Engholms Sprecher, sei nicht nur „geschmacklos“, sondern eine „ehrkränkende Beleidigung“ des Ministerpräsidenten. Der Kieler Landtag hat sich dieser Diagnose, mit einem dringenden Ruf nach der Oberschwester „Bundespresserat“, umgehend angeschlossen. Die Titanic vertreibt derweil das inkriminierte Zeitungsmotiv als Badehandtuch – ob die Presseaufsicht auch für Handtücher zuständig ist, bleibt indessen unklar.

Nun läßt sich über Geschmack trefflich streiten, und daß es Zeitgenossen gibt, die ihre Gürtellinie als Halskrause tragen, ist ebenfalls keine Frage. Was aber an dieser Satire „ehrkränkend“ sein soll, bleibt uns ein Rätsel. Wer in der Kieler Affäre noch zwei und zwei hochrechnen kann, muß bei Barschel und Pfeiffer plus Nilius und Jansen das Ergebnis „Engholm und Wanne“ nicht an den Haaren herbeiziehen. Doch das wäre noch keine Satire, keine Kunst – der feine Unterschied, der den Titanic- Titel zum hochfeinen Kunstwerk macht, ist die Tatsache, daß Björn Engholm auf diesem Bild lebt, und zwar auf eine derart ansteckende und überzeugende Art – lachend – daß der Betrachter kaum anders kann, als mitzulachen. Die Ehre Engholms wird nicht gekränkt, sie wird befördert: in seiner Badewanne, so signalisiert das Bild, ist der SPD-Chef noch Kapitän, vergnügt und sympathisch wie wir ihn kennen, weit entfernt von den depressiven Verstrickungen eines Uwe Barschel. Hätte dessen Witwe, wegen Verunglimpfung des Verstorbenen, nach dem Kadi gerufen, wäre das vielleicht noch nachvollziehbar gewesen – welche beleidigte Leberwurst aber den SPD-Chef in diesem Fall geritten hat, bleibt unergründbar. Es sei denn, er betreibt schon vor Amtsantritt seine eigene Demontage als Kanzler, indem er sich als Mega- Dünnhaut und Hyper-Mimöschen geriert. Seinen Anwalt jedenfalls sollte Engholm dieses Mal nicht von der Schweigepflicht befreien: er könnte sonst zugeben, daß er sich scheckig gelacht hat.

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