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Die Kidnapper-Ente

■ Die MoPo enthüllt: Ortwin Runde hat ein Kind entführt / Die taz deckt auf: Nicht jeder Ortwin ist Sozialsenator

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Die taz deckt auf: Nicht jeder Ortwin ist Sozialsenator

Mein Gott, Ortwin! Wer hätte das gedacht? Enthüllte doch gestern die Hamburger Morgenpost die dunkelsten Charakterzüge unseres Sozialsenators.

Während ganz Niendorf am Dienstag nachmittag Kopf stand und die Polizei zu Fuß und in der Luft nach dem fünf Monate alten Marvin suchte, den sein Vater zuvor als gekidnappt gemeldet hatte, soll sich der Senator wahrhaftig mit dem Kind nach Dänemark geschlichen haben. So nachzulesen in der gestrigen Ausgabe des Boulevardblattes.

Unter dem Foto des pausbäckigen Marvin steht es klar und unmißverständlich: „So hatte ihn Ortwin Runde nach Dänemark gebracht, bevor er die Polizei über die vermeintliche Entführung in Niendorf (...) unterrichtete. Doch die Lügengeschichte flog auf.“

Mein Gott, fragt man sich da als arglose Hamburgerin, ist der Mann denn für eine Regierung überhaupt noch tragbar? Haben die MitarbeiterInnen der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales ihren Chef denn nicht unter Kontrolle?

Nun mag man zur Entschuldigung anführen, daß dem SPD-Politiker die von den Regierungsgeschäften arg strapazierten Nerven durchgegangen sind. Blackout nennt man so etwas gewöhnlich in Politikerkreisen. Als mildernder Umstand wäre ebenfalls anzurechnen, daß die Kindesentführung ja abends noch glimpflich ausgegangen war. Schließlich hatte Ortwin den Jungen sicher und unbeschädigt bei einer Polizeiwache im dänischen Abenra abgeliefert.

Aber dennoch, was mag den Senator zu dieser unglaublichen Tat getrieben haben? Wir wollten es genau wissen und fragten in seiner Behörde nach.

„Wir haben es ihm heute morgen zu lesen gegeben.“ Klingt da so etwas wie Verlegenheit aus dem Lachen der Pressesprecherin durch? „Runde hat darüber gelacht.“ Wie, er hat darüber gelacht? Hat der Mann denn gar keinen Anstand? Was, der Chefredakteur der Morgenpost hat sich schon entschuldigt? Das Ganze ist eine Ente? Oder Sabotage? Eine Fahndung nach dem Täter sei in der Redaktion bereits angelaufen. Vielleicht war's ja auch nur ein Tippfehler. Der Vater des Kindes hieß nämlich ebenfalls Ortwin. Aber nicht jeder Ortwin, so wird der Übeltäter jetzt zu spüren bekommen, muß zwangsläufig auch ein Runde sein.

Also wieder nix mit der sensationellen Meldung über den Rücktritt eines durchgedrehten Senators. Obwohl, der ließ uns mitteilen, daß „seine Seelenkrisen nicht derart sind, daß sie sich mit einer Kindesentführung lösen lassen“.

Da fragen wir uns natürlich, welcherart sie sind und zu welchen Mitteln der Senator greifen muß, um seinen Seelenfrieden wiederzuerlangen. Wer weiß, vielleicht lesen wir ja demnächst mehr davon in der wohlinformierten Presse. Sannah Koch

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