: Die SPD bleibt beim ihrem Nein zu Kampfeinsätzen
■ In die Debatte um eine Grundgesetzänderung kommt trotz des Treffens Engholm–Kinkel keine Bewegung: Die SPD bleibt hart, weil die Union hart bleibt
Im ersten Moment konnte es so aussehen, als käme Bewegung in die Debatte um eine Grundgesetzänderung. Überraschend hatte sich SPD-Chef Björn Engholm am späten Dienstagnachmittag bei Außenminister Klaus Kinkel (FDP) eingefunden. Also möglicherweise doch noch Aussichten auf einen Kompromiß über künftige Bundeswehreinsätze out of area? Kaum. Engholm konnte Kinkel nicht mehr anbieten als das, was die SPD-Führung seit dem Bonner Parteitag im letzten Herbst verficht: eine Grundgesetzänderung, die Blauhelm-Einsätze ermöglicht, jedoch deutsche Kampfeinsätze ausschließt. Eine Entsendung von Soldaten nach Somalia wäre dann möglich, eine Beteiligung bei Awacs-Flügen hingegen nicht.
Engholm sah nach seinem Gespräch mit Kinkel durchaus Kompromißmöglichkeiten, wenn die „Maximalisten“ in CDU und CSU einen „Rückzieher machen“. Ernsthaft erwartet wird dieser Rückzieher aber von niemandem. „Die Union wird einen Deubel tun und einlenken“, urteilte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Günter Verheugen, in einem Gespräch mit der taz.
So will auch Verheugen der Union nur ein klitzekleines Zugeständnis anbieten. Die SPD sei bereit, auf das Wörtchen „nur“ zu verzichten, wenn die Beschränkung auf Blauhelme in die Verfassung geschrieben werde. Man wolle ja die Option für eine spätere weiterreichende Verfassungsänderung nicht verbauen. Diese Linie klopfte Fraktionschef Hans-Ulrich Klose auch in der Fraktionssitzung am Dienstag fest. Zunächst sollten die Deutschen einige Jahre lang mit rein friedenserhaltenden Blauhelm-Einsätzen Erfahrungen sammeln. „Nach einigen Jahren“, so Verheugen, „betrachten wir die Situation neu.“
Es gibt Genossen, die diese Gelassenheit gefährlich finden. Karsten Voigt, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, warnt vor dem Karlsruher „Risiko“. Wenn das Bundesverfassungsgericht in der Hauptsache über die Awacs-Verfassungsklagen von SPD- und FDP-Fraktion entscheide, sei ein Gerichtsbeschluß möglich, der die Rechtsauffassung von CDU und CSU bestätigt, wonach das Grundgesetz heute schon fast alle Arten militärischer Einsätze out of area erlaubt. Leider nehme die SPD lieber dieses Risiko einer „verfassungspolitischen Niederlage“ hin, klagt Voigt, als daß sie bereit sei, in Gesprächen mit CDU und CSU „ihre Prinzipien verhandelbar zu machen“.
Freilich glaubt auch Voigt nicht mehr an die Möglichkeit des Kompromisses. Er zählt zwar zu der Minderheit in der SPD, die deutsche Kampfeinsätze unter dem UNO-Dach ermöglichen möchte. Der Vorschlag der Koalition, der unter bestimmten Voraussetzungen auch Kampfeinsätze ohne UNO-Mandat erlaubt, sei in der SPD aber überhaupt nicht „konsensfähig“, glaubt Voigt. Zugleich sei der Zeitpunkt längst verstrichen, zu dem die SPD der Union Zugeständnisse hätte abtrotzen können. Schließlich sehe auch die Union die Möglichkeit, daß Karlsruhe die Erlaubnis für weltweite Kampfeinsätze auf dem Silbertablett serviert.
Angesichts dieser gegenseitigen Blockadehaltung ist es für die SPD einfach, Härte zu demonstrieren. Die SPD dürfe nicht aus Furcht vor Karlsruhe ihre Überzeugung opfern, warnt Verheugen. Daß die Sozialdemokraten in Karlsruhe „gar nichts durchkriegen“, hält der Fraktionsgeschäftsführer ohnehin für „eher unwahrscheinlich“. Allzuweit treiben will es die SPD mit ihrer „Zuspitzung“ (Verheugen) dennoch nicht. Sie wird zwar ihre Verfassungsklage gegen die Adria- und Awacs-Einsätze um eine Klage gegen den Somalia-Einsatz erweitern. Anders als im Awacs- Streit wird die SPD aber keine einstweilige Anordnung beantragen, die allein geeignet wäre, den Afrika-Einsatz schon im Vorfeld zu stoppen. Grund: Nach der Niederlage bei Awacs fürchtet die SPD eine erneute Abfuhr vom Verfassungsgericht. Hans-Martin Tillack, Bonn
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