: „Da blubbert bräunliche Brühe“
■ Ein Besuch in der Gentec-Versuchsanlage der Hoechst AG / Besucher fühlten sich wie auf einem Öltanker
Frankfurt/Main (taz) – Fermtec, Chemtec und Insultec: drei griffige Bezeichnungen für die Produktionsstufen bei der Herstellung von Humaninsulin bei der Hoechst AG in Höchst. Dazu noch der Name eines Bakterienstammes, den sich die Bevölkerung im Rhein-Main-Gebiet noch vor der Aufnahme der gewerbsmäßigen Produktion von Humaninsulin mit Hilfe der Gentechnik merken sollte: E. Coli K 12 aus der Darmflora des Homo sapiens.
Am Tag der offenen Tür in der Gentec-Versuchsanlage der Hoechst AG jedenfalls wurden gestern die interessierten BürgerInnen im Zweistundentakt durch die wunderbare Welt der sich explosionsartig vermehrenden Mikroorganismen geschleust. Die BesucherInnen hatten sich die unter den Argusaugen des TÜV-Rheinland vorher stillgelegte High-Tech- Versuchsanlage im Stammwerk der Hoechst AG eigentlich anders vorgestellt: „Hier sieht's ja aus wie im Maschinenraum eines Öltankers“, meinte ein älterer Mitbürger, der sich mit Gürtel und Hosenträgern gleich doppelt gesichert hatte. Seine Begleiterin trug eine Spezialbrille – und den Helm dazu gab's von der Hoechst AG gratis.
In der Tat durchzieht ein Gewirr von Rohrleitungen die Labors. In riesigen Kesseln brüteln die gentechnisch veränderten E.- Coli-K-12-Bakterien bis zur „Erntereife“ (Fermtec-Chef Eisenbrenner) vor sich hin. Und ein 1.000-PS- Motor pumpt den zur Vermehrung notwendigen Sauerstoff in das „geschlossene System“. Alles wie „auf'm Schiff“. Und weil niemand sehen konnte, was im Versuchsbetrieb in den Kesseln vor sich geht, verbalisierte Eisenbrenner anschaulich: „Da blubbert turbulent eine bräunliche Brühe, die sich zunehmend verdickt und mehr wird.“
Das Vertrauen der modernen Menschen in die neue Technik stellt sich erst im computergespickten Steuerungsraum der gesamten Anlage ein. Gleich zwei Großrechner laufen parallel, sagt Eisenbrenner: „Und wenn einer ausfällt, springt der andere sofort ein.“ Passieren könne „so gut wie nichts“, denn insgesamt vier Sicherheitsstufen würden einen „denkbaren“ Austritt der genmanipulierten Bakterien „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ verhindern. Ohnehin seien die Bakterien vom Stamme E.Coli K 12 in der Umwelt nicht lebensfähig. Bei Versuchen mit Mainwasser seien die Biester nach zwölf Stunden „verschwunden“ gewesen. Und auch ausgetrocknete Bakterien hätten „draußen“ nicht überlebt.
Die BesucherInnen durften ein Video von der „zweitbesten Methode, Insulin zu produzieren“ (Hoechst AG) mit nach Hause nehmen. Und die Gewißheit, daß so gesund aussehende Männer wie Dr. Eisenbrenner wissen, was sie tun – und für wen sie es tun: „für die rund 800.000 zuckerkranken Menschen in Deutschland“, die bislang mit aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen und Rindern gewonnenem Insulin leben mußten. Klaus-Peter Klingelschmitt
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