: Wenn der Bauherr erzählt...
■ Betr.: „Was bleibt vom Hollerland-Kompromiß“ taz 7.4.93
'Der erste Bauabschnitt ist vergeigt', und 'Note mangelhaft — StudentInnen beurteilen Architektenwohnung', lese ich über die Bebauung des Hollerlandes. Dabei steht dieses Gebiet im Lichte der Öffentlichkeit. Der Bausenator kümmerte sich selbst. Was Bauunternehmen, Architekten, Baufirmen und Makler in anderen Gebieten versprechen und nicht halten, ist weit herber. Davon redet keiner.
Eine Immobilie kauft man ein- oder zweimal im Leben. Für den sog. „Bauherren“ ist es ein Ereignis, für die Baufirma und den Makler hingegen ein ganz normaler Vorgang. Entsprechend groß sind die Mißverständnisse und Enttäuschungen beim Käufer. Das war schon immer so. Die Raffgier und Hemmungslosigkeit der Makler und Baugesellschaften, auch von bislang renommierten, ist seit der Pleite des Ostblocks sprunghaft gestiegen. Sie schlägt durch bis zum letzten Handwerker, der auch zusehen muß, wo er bleibt. Jede althergebrachte Vorstellung von Treu und Glauben, von „Versprochen ist versprochen!“ und „Handschlag genügt!“ ist verlorengegangen.
Was wir etwa beim Kauf einer Wohnung im Baugebiet Weidedamm II erlebten, um sie zu vermieten, bis wir in einigen Jahren dort einziehen, haute uns fast um. Uns wollte der GEWOBA-Makler eine Wohnung verkaufen, deren Quadratmeterzahl er schlicht erfand. Vom Kauf einer Wohnung bei WESER-WOHNBAU nahmen wir gerade noch Abstand, als die Tieflader auf das Stück vor dem Wohnblock rollten, das „grantiert unbebaut“ bleibe. Der Makler SCHLÜTER versprach für die Wohnung von BAUATELIER NORD, die wir dann für runde 300.000 DM kauften, wiederholt in Annoncen in WK und BN einen Fertigstellungstermin samt „Vermietgarantie“, dasselbe in einem persönlichen Brief. Die Wohnung war ein halbes Jahr später bezugsfertig. Unsere Finanzierung geriet gefährlich ins Wanken. Kam eine Entschuldigung oder gar Entschädigung? Pustekuchen. SCHLÜTER verwies darauf, daß er nur im Auftrage von BAUATELIER NORD gehandelt habe. Der Ring Deutscher Makler(RDM), der kürzlich in WK und BN auf zwei ganzen Seiten um „Vertrauen“ warb, läßt bis heute mit seiner Antwort auf sich warten. BAUATELIER NORD wiederum, übrigens vor Jahresfrist wegen seiner Architektur in Weidedamm II in der taz hochgelobt, verwies darauf, daß sein Makler „selbständig“ arbeite. Das war's. Deswegen vor Gericht ziehen? Wie das?!
Die kaputten Fensterbänke, die feuchten Wände im Bad, das Wasser in der Garage, das nicht schließende Garagentor, das gehbehindernde Treppenhaus mit PVC-Belag und der für Kinder lebensgefährliche Spielplatz nerven und beschäftigen uns schon genügend, von Kleinigkeiten und den üblichen Nachbesserungen ganz zu schweigen. Schon damit könnten wir eine Sozietät beschäftigen. Im übrigen: Die Erfolgsaussichten sind gering. Diese Raffges und ihre Schlepper arbeiten in einer Grauzone. Sie wissen aus langer Erfahrung, wie weit sie gehen können, bis daß sie einer derjenigen verklagt, die sie über den Tisch zogen, und dann auch noch obsiegt. Und wenn schon: BAUATELIER NORD hat für den nächsten Bauabschnitt die Preise um 25% erhöht, das sind pro Jahr 12,5 %. Und es wird gekauft. Was da alles an wesentlich weniger wehrhaften Leuten, als wir es sind, an die Wand gedrückt wird und sich ermattet in's neue Heim zurückzieht, vor allem an Älteren, kann man sich leicht vorstellen.
Nur profimäßigen Anlegern und Leuten anzuraten, die für den Erwerb einer Immobilie soviel Zeit und Nerven opfern können wie für das Aufziehen eines Säuglings; die durchs Ohr gebrannt sind; die kein Wort sagen ohne den Rat eines Rechtsanwaltes, der sich darauf spezialisiert hat, und denen es auf 50.000 Mark mehr oder weniger nicht ankommt. Sonderwünsche, die aus der mit „Standards“ eingerichteten Wohnung erst die versprochene „Komfortwohnung“ machen, sind da noch nicht drin.
Martin Korol
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