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Rathaus-Strategen wurden kalt erwischt

■ Hamburgs Rathausparteien sind auf eine neue Wahlschlacht und politische Umwälzungen überhaupt nicht vorbereitet

und politische Umwälzungen überhaupt nicht vorbereitet

Neuwahlen im Herbst? Abschied von der SPD-Alleinherrschaft? Vielleicht eine neue BürgermeisterIn? Neue SenatorInnen? Eine neue wilde Schlacht um 121 Bürgerschaftssitze? Große Koalition? Ampel? Rot-Grün?

Die beschauliche Ruhe behaglicher Politlebensplanung wurde gestern in allen vier Rathaus-Altparteien jäh gestört. Hamburgs Grüne glaubten, noch 18 Monate Zeit zu haben, um wirklich (mit-)regierungsfähig zu werden. In der SPD liefen gerade die Intrigen um die Verteilung der Bundestagsmandate an. CDU-Chef Dirk Fischer war sicher, in aller Ruhe die Bundestagswahlen abwarten zu können, um dann zu entscheiden, ob er wirklich in Hamburg antritt.

Noch überhaupt nicht aus ihrem Winterschlaf heraus ist die FDP. Fast die komplette FDP-Mannschaft hat den Politknopf auf Stand by geschaltet, wollte sich — wenn überhaupt — erst kurz vor den Wahlen 1995 wieder ins Tagesgeschäft einklinken. Eine politische Linie, ein Konzept, eine Strategie oder gar ein Personentableau für eine Rückkehr in den Senat sind nicht einmal am politischen Horizont zu erkennen.

Auch wenn noch nicht genau abzusehen ist, wie die CDU das Urteil wegstecken kann, deutet gegenwärtig vieles darauf hin, daß sie mit dem Ein-Mann-Team Dirk Fischer in den Wahlkampf ziehen wird. Eine vielleicht nicht ganz unproblematische Strategie: Schließlich gehört Fischer selbst zu jener Echternach-Gang, auf deren Konto die jetzt verurteilte Wahlpraxis geht. Auch die von Dirk Fischer zögerlich eingeleiteten Reformen werten innerparteiliche Kritiker weniger als Erneuerung denn als Bemühen, echte Perestroika abzublocken.

Auch die Stimmungslage der SPD zielt in Richtung Kontinuität: Zwar wissen einige — wenige — Köpfe um die Notwendigkeit eines radikalen Schnitts, die Mehrheit in der Fraktion, bei Funktionären und SenatorInnen liebäugelt schon jetzt mit einem „Weiter so!“. Wäre es nicht gemein, so ein oft benutztes Argument, nur deshalb kürzer in Bürgerschaft oder Senatssessel zu sitzen, weil die CDU verurteilt wurde?

Relative Klarsicht herrscht dagegen bei den Grünen. Martin Schmidt: „Wir wissen, daß wir diejenigen sind, denen am ehesten Erneuerung zugetraut wird.“ Allerdings: Die Personaldecke der Grünen ist ausgesprochen dünn. Um eventuelle Senatsämter zu besetzen und die SPD bei möglichen Verhandlungen kompetent unter Druck zu setzen, fehlen Leute, ausgefeilte Konzepte und fertige Strategien. In der Parteizentrale wächst gar schon wieder die Lust, die Realos in der Fraktion abzustrafen, obwohl (weil) sie das leckgeschlagene grüne Schiff 1991 gerade noch in die Bürgerschaft bugsierten und seither ganz flott renovierten.

Auch wenn Rot-Grün im Rathaus gegenwärtig als wahrscheinlichste aller künftigen Regierungsvarianten gehandelt wird, gilt politischen BeobachterInnen derzeit nur eines als sicher: Der Wahlausgang ist unsicher. Florian Marten

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